Eingangstor zum Genozid-Museum in Kigali
Foto: Brandstätter

Ruanda: Kigali Genocide Memorial

"Als sie auf dem Feld waren, griff Kain, der Ackerbauer seinen Bruder Abel, den Hirten an und erschlug ihn." (1. Buch Mose). Das Kigali Genocide Memorial eröffnet einen schaurigen Blick in die Abgründe der Menschheit.

Ruanda ist – neben all den Naturschönheiten - auch jenes Landes, das vor nicht allzu langer Zeit einen der schrecklichsten Genozide der Menschheitsgeschichte erlebt hat. Von April bis Juli 1994 wurden in nur 100 Tagen nahezu eine Million Menschen brutal ermordet. Die Wurzeln für dieses Massaker liegen nicht zuletzt in der Zeit der deutschen Kolonialmacht, die getrieben von der damaligen Herrenmenschen- und Rassenideologie Anfang des 20. Jahrhunderts bestimmte, dass Familien mit mehr als zehn Rindern Viehzüchter (Tutsi) seien. Und die, die weniger Vieh hatten, wurden den Ackerbauern (Hutus) zugeordnet. Diese willkürliche Trennung in angeblich unterschiedliche „Ethnien“ legte den Grundstein für das spätere Morden.

Die Belgier, die die Deutschen nach dem ersten Weltkrieg als Kolonialmacht in Ruanda ablösten, folgten dieser Ideologie und setzten ihr System entlang dieser Trennlinie fort. Sie förderten die reichere und gebildetere Minderheit der Tutsis und bildeten eine Elite. Hutus wurden systematisch vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Die Zugehörigkeit wurde penibel auf den Identitätskarten vermerkt. Als Ruanda – und federführend die Tutsi-Elite - ab 1950 nach Unabhängigkeit strebte, bauten die Belgier die Verwaltung um und favorisierten von nun an die Hutus.

Erstmals entlud sich der jahrzehntelang aufgestaute Hass der Hutu-Mehrheit im Zuge der Unabhängigkeit 1962. Es kam immer wieder zu Übergriffen, hunderttausende Tutsis flohen, vor allem nach Uganda. Im Hintergrund hat die Regierung jedoch bereits penibel an einem viel grausameren Plan, der systematischen Ausrottung der Tutsi gearbeitet. Als am 6. April 1994 das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Habyarimana beim Landeanflug auf Kigali direkt vor dem Garten seiner Villa abstürzte, begann das große Morden. Ein unvorstellbarer Wahnsinn, der bis ins letzte Detail geplant und ausgeführt wurde.

Fotos von Opfern an eine Wand gepinnt.
Stille Erinnnerung an die Opfer des Genozids. Foto: Jenny Paul, CCBY-SA 4.0, Wikipedia Commons

„Hier in diesem Raum wurde der Genozid geplant“, erzählt uns die junge Begleiterin bei einer Führung durch die ehemalige Präsidentenvilla, die heute das Rwanda Art Museum mit Exponaten aus der Geschichte Ruandas beherbergt. Eine zerschlissene Ledergarnitur als stummer Zeuge für den Ort, an dem die Todeslisten erstellt wurden, die dann Straße für Straße systematich und penibel genau abgearbeitet wurden. Daneben befinden sich die ehemaligen Schlaf- und Wohnräume für Präsident samt Gattin und ihrer acht Kinder, mehrere luxuriös eingerichtete Badezimmer, ein eigener Meditationsraum, eine riesige Terrasse mit Blick in den wunderbaren Garten mit Swimmingpool und eigenem Bassin für eine Riesenschlange. Im hinteren Ende des Gartens liegen einige Wrackteile des abgestürzten Flugzeuges.

Einen erschütternden und zutiefst berührenden Einblick in die Ereignisse dieser Tage bietet das Kigali Genocide Memorial. Bilder von so vielen Menschen, Familien, Kindern - Leben, das einfach und mutwillig zerstört wurde. Vor allem die Rolle der Medien wird sehr kritisch beleuchtet, die durch das ständige Schüren von Hass den Boden mitaufbereitet haben. „Wir werden erst ruhig schlafen können, wenn wir die Kakerlaken zertreten haben“, tönte es immer wieder aus dem Äther. Im Garten des Memorials haben die Gebeine von 250.000 Menschen ihre letzte Ruhestätte bekommen.

Grabstätte mit Blumen
Die Gebeine von hunderttausenden Menschen sind im Garten des Genocid Memorial in Kigali bestattet. Foto: Brandstätter

Ein Raum im Museum spannt einen erschütternden Bogen der tiefsten Abgründe der Menschheit - von Armenien bis Deutschland, von Kambodscha bis Bosnien - und zeigt, dass Ruanda im organisierten Morden keineswegs ein Einzelfall war. Hier wird man sich auf eine ganz eigene Art und Weise bewusst, dass man als Österreicher selbst aus einem Land kommt, das wenige Jahrzehnte zuvor bei einem unvorstellbar grausamen Genozid mitgemacht hat. Es mahnt uns, überall auf der Welt die Anzeichen für Verhetzung rechtzeitig zu erkennen, wenn ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert und Menschen sprachlich als Kakerlaken, Schweine oder Parasiten entmenschlicht werden. Und vor allem mahnt es uns, rechtzeitig dagegen aufzutreten.

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zuletzt geändert am 18.11.2022

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