Ein Junger Mann mit Schirmkappe sitzt entspannt auf einem hochgelegenen Bank mit Blick auf den See bei Sonnenuntergang
Einen Abstecher wert: Der Bleder See im Nordwesten Sloweniens. Foto: Jacob Riglin

Genuss-Gänge am Alpen-Adria-Trail

Von schroffen Felswänden bis ans Meer - drei Länder im Süden und ihre vielfältigen Geschmäcker. Von kulinarischen Verwandtschafts-verhältnissen und köstlichen Abzweigungen entlang des Alpe-Adria-Trails.

Alles hinter sich lassen und einfach nur dem Meer entgegenwandern. Nichts leichter als das: Der rund 750 Kilometer lange Alpe-Adria-Trail schlängelt sich direkt vom Großglockner, vorbei an den Kärntner Seen, immer südwärts durch Slowenien bis nach Italien an die Adria. Jede der 43 Etappen lässt einen in eine andere Landschaft eintauchen. Alle sind geprägt von Wasser: das Eis des Gletschers, imposante Wasserfälle im Tal, türkisfarbene Flüsse, rauschende Schluchten, Alpenseen mit Trinkwasserqualität, Karst-Ebenen mit Meerblick und Hafenstädtchen mit Fischerbooten. Genau das Richtige fürs sanfte Entschleunigen in der Natur. Schließlich bringt einen das Vorwärtsgehen auch persönlich voran. Und es gibt noch ein Argument für den Trail – die Alpe-Adria-Küche am Wegesrand. Denn unterwegs lässt es sich wunderbar einkehren und den Geschmack der Region am Gaumen erleben. Aber was überhaupt ist die Alpen-Adria-Küche?

Ein sorgfältig gedeckter Tisch vor dem Hintergrund eines Sees. In der Ferne sieht man Berge, auf dem Wasser sind Segelboote unterwegs.
Dinner am See. Foto: Tine Steinthaler

Komplizierte Familienverhältnisse

Eine Küche. Ein Kochbuch. Ein Gericht. So einfach ist es mit der Alpen-Adria-Küche nicht. Was sie auszeichnet, ist die Vielfalt auf kleinem Raum. Ein paar Kilometer weiter, im nächsten Tal, wird schon wieder ganz anders gekocht. Manchmal sind es nur kleine, feine Unterschiede, auf die Wert gelegt wird.

Fangen wir mit etwas Süßem an – dem Kärntner Reindling. Neben den Kasnudeln ist es wohl eine der bekanntesten Speisen des Landes und kommt seit Jahrhunderten zu Ostern, heute jedoch das ganze Jahr über, auf den Tisch. Traditionell wird er in einer Rein, einem runden flachen Geschirr, aus Germteig gebacken und mit Zucker, Zimt sowie Rosinen gefüllt. Im kärntnerisch-slowenischen Grenzgebiet kommen oft Walnüsse zur Füllung hinzu – das Ganze wird dann Pohača genannt. Auf der anderen Seite der Alpen kennen auch die Slowen*innen und Italiener*innen das Festtagsgebäck. In Slowenien wird Potica und Gibanica gebacken, in Friaul Gubana. Wie Geschwister sind sie miteinander verwandt, aber eben keine eineiigen Zwillinge.

Auch bei der Jause können die Unterschiede entlang des Trails „erschmeckt“ werden: Die Kärntner*innen servieren Gailtaler Speck oder luftgetrockneten Schinkenspeck aus dem Lesachtal, in Slowenien kommt zum Wein Pršut-Schinken aus dem Karst auf den Tisch und in Friaul Prosciutto aus San Daniele.

Seit jeher sind im Dreiländereck Einflüsse der verschiedenen Küchen und Kulturen zusammengekommen. Auf gutes Essen, Geselligkeit und Gastfreundschaft wird großer Wert gelegt. Dabei vermischt sich die Bodenständigkeit der Bergwelt ein Stück weit mit der mediterranen Leichtigkeit. Alle sind stolz auf ihr kulinarisches Erbe. Produzent*innen unterstützen sich gegenseitig und leben den natürlichen Hang zur Regionalität. Damit wird trotz all der Gemeinsamkeiten das Einzigartige einer Region bewahrt.

Vor dem Hintergrund eines offenen Küchenfeuers ist der Wels auf cremigem Eierschwammerlragout in einer gusseisernen Pfanne angerichtet, mit einem Rosmarinzweig dekoriert.
Wels auf Eierschwammerlragout mit Jungzwiebeln. Foto: Puch Johannes

Frisch aus dem See

Auf dem Weg zum Meer braucht es zum Start etwas Deftiges: Glockner Lamm, Bauernspeck, Wildbret. Die Kost passt gut zur Kulisse, denn hier wird so richtig in die schroffe Bergwelt eingetaucht. Die Gipfel sind von Eis und Schnee bedeckt, die Pfade in schwindeligen Höhen. Allerdings dauert es nicht lange und schon taucht frischer Fisch auf der Speisekarte auf. Forellen fühlen sich im klaren Gebirgswasser so richtig wohl und nur wenige Etappen weiter hüpfen Reinanke, Laxn (Seeforelle), Saiblinge, Zander sowie Wels in die Pfanne.

Die Seefischerei hat im Süden Österreichs eine lange Tradition. Typisch für den Millstätter See ist zum Beispiel die Reinanke. Der wilde Fisch wanderte nach der letzten Eiszeit aus dem Eismeer ein. Schon früh schätzten die Benediktiner-Mönche aus dem Stift Millstatt das feine Fleisch des Wildfanges. Natürlich blieb das dem kaiserlichen Hof nicht verborgen. Als K. u. K. Hoffischer lieferten die Familien aus Millstatt ihre Fänge nach Wien. Ihre Nachfahren sind heute die Reinankenwirte, die wie damals den frischen Fisch für ihre Gäste aus dem See fangen.

Die schroffen Gipfel weichen den runden Kuppen der Nockberge, an deren Fuße sich die Seen schmiegen. Die Gegend strahlt Ruhe aus. Freiraum und kein Stress für die Tiere, natürliche Lebensräume, achtsamer Umgang mit dem Wasser und heimische Artenvielfalt – dafür setzen sich unter anderem Fischökologe Martin Müller vom Weißensee oder Fischzüchter Markus Payr aus Sirnitz ein. Zubereitet wird der Seefisch ohne viel Tamtam über dem Feuer. Bei der Etappe in den Nockbergen kommt die Seeforelle sogar verfeinert mit Steinpilzen und Grammelbutter daher. Ein leichtes Gericht als Hommage an die regionalen Zutaten.

Das türkisblaue Wasser eines Gebirgsbaches fließt zwischen hellen Felsen, das Ufer gesäumt von Bäumen und Sträuchern, im Hintergrund ein ferner Berggipfel vor tiefblauem Himmel.
Im Soča-Tal. Foto: Boris Pretnar

Erinnerungen am Gaumen

Das Spiel mit den kulinarischen Wurzeln haben auch die Slowen*innen perfektioniert. Die Gasthäuser, Gostilna genannt, servieren lokale Spezialitäten und zurecht lautet das alte Sprichwort: „Dort, wo es Gasthäuser gibt, streckt Gott seine Hand vom Himmel.“ Wer dem Trail weiter folgt, erlebt die kräftige Küche im Norden – beginnend bei Kranjska Gora über das Soča-Tal und Kobarid bis Tolmin. Diese gibt Kraft für die Etappen durch den Nationalpark Triglav. Hier sind die Julischen Alpen besonders eindrucksvoll mit tiefen Tälern, wilden Bergpanoramen und kantigen Felswänden. Die Etappen sind entsprechend mittel bis schwer. Danach wird es zur Küste hin wieder Stück für Stück mediterraner und leichter. Alle freuen sich schon auf Frtalja, eine Eierspeis mit Kräutern und weißer Polenta, oder den Pedoči, Miesmuscheln aus der Adria geschmort im eigenen Saft.

Zwischendurch bieten sich kleine Abstecher an: Kleine historische Städte wie Bled und Kranj haben richtig viel zu bieten und überraschen mit modernen Museen sowie liebevoll erhaltenen Zentren. Ein solches Schmuckstück ist auch Radovljica. Hier schlägt das imkerische Herz des Landes. Bienenzucht hat in Slowenien eine große Bedeutung: Anton Janša war der Erste unter der Herrschaft von Maria Theresia, der das Imkerhandwerk lehrte und Bienenvater Jan Strgar verschickte ab 1881 slowenische Bienenvölker in einer eigenen Holzbox in die ganze Welt.

Ein Comeback feiern die Tepka-Birnen in der Region. Maria Theresia ließ die Birnbäume entlang der Straßen pflanzen, um die Soldaten zu versorgen. Heute kochen Sterneköche mit ihnen – wie Uroš Štefelin. Alte Rezepte sind seine Leidenschaft: Erdäpfel mit Käse, Polenta mit Grammeln, Huhn mit Pastinakenpüree, Sauermilcheis mit Minze und Honig oder getrocknete Tepka-Birne mit Schokolade: „Ich koche gerne so, dass der Geschmack Erinnerungen weckt“, sagt er. In Bovec verarbeiten die Einheimischen die Birnen zu Buški krafi. Das sind Teigtaschen gefüllt mit getrockneten Birnen, Walnüssen, Zucker und einem Schuss Rum. Als süße Nachspeise wurden sie früher am Heiligenabend gereicht.

Touristen sitzen unter Sonnenzelten auf einem Platz im Ortskern von Radovljica, die Fassaden der alten Stadthäuser sind gut erhalten und gepflegt, die gepflasterte Gasse gesäumt von Blumentrögen.
Radovljica. Foto: Anita Arneitz

Vom Wein zum Kaffee

Je südlicher, desto lieblicher wird die Landschaft. Die Almen mit Butter und Bergkäse rücken genauso wie die imposanten Gipfel in die Ferne und machen Platz für die Reben, die die Hügel mit geometrischen Mustern verzieren. Spätestens in Cividale del Friuli, die Hauptstadt des ersten langobardischen Herzogtums in Italien und UNESCO Weltkulturerbe, ist das Dolce-Vita-Gefühl Italiens vollständig da. Wein und Oliven werden auf der Teufelsbrücke verkostet. Typisch für die Region ist außerdem die friulanische Wurst mit Knoblauch oder in Essig gekochte Zwiebeln.

Jede Menge Sehenswürdigkeiten entdecken Wandernde in den schiefen Gassen der Altstadt und sind überrascht vom kulturellen Reichtum der Stadt. Tipp: In der Bäckerei etwas Süßes für unterwegs einkaufen – wie Strucchi oder Gubana mit kandierten Früchten.

Weiter führt der Trail durch das Weinbaugebiet Collio, eine von neun DOC-Weinregionen in Friaul-Julisch-Venetien. Der Wein spielt hier die Hauptrolle. Neben bekannten Sorten werden autochthone Reben wie Friulano, Ribolla gialla, istrischer Malvasia und Vitovska kultiviert. Insgesamt werden jedes Jahr rund 90 Millionen Flaschen in Friaul-Julisch-Venetien abgefüllt, darunter einige der besten Weißweine der Welt. Die ebenso ausgezeichneten Rotweine profitieren von der salzigen Meerluft am Karst.

Die Landschaft ist rau, der Blick hinunter auf das Meer sehnsuchtsstillend. Es ist das große Finale des Trails, der in Muggia, dem Fischerstädtchen vis á vis von Triest, endet. Endlich sind sie da – die kleinen Fischerboote, die Wellen, die ans Ufer schlagen, und die Möwen mit ihrem Geschrei. Es ist an der Zeit, die Sonnenbrille auszupacken und sich auf der Piazza hinzusetzen.

Miesmuscheln rustikal angerichtet in einem rotbraunen Emaille-Topf auf einem verwitterten Holztisch, der seine ehemals blaue Lackierung noch erahnen lässt, dazu Weißbrot mit Olivenöl und Weißwein in einer Karaffe.
Foto: Matevz Kostanjsek

Lange Zeit stand das Städtchen Muggia unter venezianischer und österreichisch-ungarischer Herrschaft. Das hinterließ Spuren. Immer wieder tauchen in den Speisekarten Calandracca (Gulaschsuppe), Jota (Bohneneintopf), Luganighe e capuzi (Würstel mit Sauerkraut) oder Gnocchi de pan (Semmelknödel) auf. Die Meeresküche hingegen hat istrisch-venetische Tradition. Baccala als Stockfisch, die Fischsuppe Brodetto oder marinierte Sardinen, Sardoni in savor, gehören dazu. Traditionelles Triestiner „Fastfood“ ist Risi e bisi – Reis mit Erbsen, Schinken und Zwiebel.

Egal für welche Spezialität man sich entscheidet, danach ist ein Espresso Pflicht. Schließlich ist Triest Kaffeehauptstadt – mit historischen Handelsplätzen, Röstereien, Jugendstil-Kaffeehäusern und einem Kaffeemuseum. Kaffee hat Kultstatus als Teil des Lebensgefühls. Daher keinen Cappuccino am Nachmittag bestellen! Kaffee mit Milch bedeutet in Italien Frühstück. Un nero, ein Espresso hingegen, geht zu jeder Tageszeit – mit Meerblick statt Obers.

Detaillierte Wegbeschreibungen zum Alpen-Adria-Trail mit GPS-Track finden Sie online auf www.alpe-adria-trail.com.

Autorin: Anita Arneitz

Bitte unterstütze unsere nachhaltige Bildungsarbeit mit einem Abo:

Abo bestellen

Folge lebensart-reisen auf instagram>>>

zuletzt geändert am 15.07.2022

teilen twittern Instagram