Schwarze Trüffeln in einem Teller vor einer Flasche Wein.
Foto: Jürgen Schmücking

Genuss im mittlern Osten Italiens

Die ‚Regione Marche‘, nördlich von Rom und an der Ostküste des Landes liegend, gilt vielen als terra incognita. Passerina oder Rosso Piceno haben die wenigsten Weinliebhaber auf dem Radar und dass in Urbino eines der interessantesten Museen der Renaissance ist, weiß kaum jemand. Dabei hat die Region viel zu bieten. Kulinarisch, aber auch landschaftlich und kulturgeschichtlich.

Die Marken, das ist der Landstrich zwischen der Küstenstadt Pesaro im Norden und Ascoli Piceno im Süden. Mittendrin die Hauptstadt der Region, Ancona. Für die Erkundung der Marken ist Ancona eine gute Wahl. Erstens liegt die Stadt am Meer, weshalb man aus vielen Hotelzimmern ein großartiges Panorama genießen kann. Es ist aber nicht nur das Panorama. Ein kulinarisch grandioser Einstieg in die Esskultur der Marken sind die wilden Muscheln von Portonovo, oder einfach moscioli, wie die Italiener sie nennen. Sie wachsen an der Riviera del Conero, dem Küstenabschnitt zwischen Pietralcroce und Sassi Neri. Das Besondere an diesen moscioli ist, dass sie wirklich wild wachsen und nicht gezüchtet werden. Mittlerweile hat sich auch Slow Food dafür entschieden, die Muscheln als Passagier in die internationale Arche des Geschmacks aufzunehmen. Die Arche gilt als eine Art kulinarisches Rettungskommando für gefährdete Arten und Rezepte.

Eindrucksvolle Trüffelgerichte

Knapp hundert Kilometer nordwestlich von Ancona im Landesinneren liegt die Furloschlucht mit ihrem atemberaubenden Felseingang. Die Schlucht ist aus vielen Gründen einen Besuch wert. Herausragend unter diesen Gründen ist aber das Ristorante Antico Furlo (nebenbei auch ein rustikales Hotel, mit einem Zimmer, in dem Mussolini einmal schlief). Bekannt ist das Ristorante für seine unglaublich eindrucksvollen Trüffelgerichte von Alberto Melagrana. Der Mann ist ein Phänomen. Ein wundervoller Gastgeber und Feingeist, sein Wissen über Trüffel ist enorm. Wenn er gekonnt die weißen Trüffel über die handgemachten Cappelletti hobelt und dabei von der Trüffelsuche, den verschiedenen Sorten und Erlebnissen aus seinem Leben erzählt, ist das einer jener Momente, die man erlebt haben sollte, bevor man abtritt.

Regionale Rebsorten

Mann hält Flasche mit Wein.
Foto: Jürgen Schmücking

Spannend ist übrigens auch, wie sich der Weinbau in den Marken entwickelt. Immer mehr Winzer und Winzerinnen besinnen sich der regionalen Rebsorten. Der Anteil an biologisch zertifizierten Weingütern explodiert förmlich und erreicht nahezu österreichische Verhältnisse. Junge Winzer schließen sich zu innovativen Gruppen zusammen und arbeiten in ihren Weinen kristallklare Terroir-Eigenschaften heraus. Aber auch hier gibt es Betriebe, die herausragen. Die Azienda Agricola Bucci in Ostra Vetere zum Beispiel. Das Gut hat Tradition. Die Wurzeln reichen zurück ins 17. Jahrhundert. Weinbau wird seit 1983 betrieben. Wobei, Weinbau selbst gibt es auf Bucci schon viel länger, aber in diesem Jahr wurden erstmals eigene Weine in Flaschen gefüllt und vermarktet. Seit 2000 ist das Weingut biozertifiziert. Spannend ist auch das Alter der Weingärten. Wandert man durch die Rebzeilen der Weingärten Vigna Saturno, Montefiore oder Montecarotto, spaziert man an knorrigen, alten Rebstöcken vorbei, die teilweise über 50 Jahre alt sind. Das Flaggschiff des Weinguts ist ein Wein namens Verdicchio die Castelli di Jesi Villa Bucca Riserva. Verdicchio ist eine von Italiens Weissweinsorten mit hohem Potential. Es gibt sie auch in den Varianten als Schaum- und Süßwein. Aber richtig groß wird er nur als trocken ausgebauter Wein. In dieser Form hat er Substanz und Struktur, duftet nach Zitrusfrüchten und Pfirsich. Bei Bucca kommen noch Bergamotte und – wenn sie älter werden – kandierter Ingwer und Mango dazu. Jedenfalls seit Jahren ein hochdekorierter Wein, und auch das Weingut selbst ist einen Besuch wert.

Die Altstädte laden zu Spaziergängen durch  enge Gassen

Laternen und Blumentöpfe vor einer mittelalterlichen Mauer mit vergittertem Fenster.
Foto: Jürgen Schmücking

Zu guter Letzt die Kunst. Die Städte der Marken sind Zeugen einer vergangenen Zeit. Die Altstädte Cingoli, Jesi, Loreto oder Urbino sind Museen für sich und laden zu endlosen Spaziergängen durch die engen Gassen ein. Jeder einzelne Türstock und jedes Schild und jede Steinmauer erzählen Geschichte und Geschichten. Urbino ist eine Stadt, für die man deutlich mehr als nur einen Tag einplanen sollte. Raffael’s Geburtshaus, der Palazzo Ducale oder die Basilica Cattedrale di Santa Maria Assunta brauchen, um deren Erhabenheit und Eleganz aufzunehmen, alleine schon einen Tag. Und ein weiterer für die Galleria Nazionale delle Marche. Das Museum befindet sich direkt im Fürstenpalast und zeigt großartige und eindrucksvolle Werke der italienischen Renaissance. Das Museum wird übrigens von einem Österreicher geführt. Man könnte, ich habe das getan, nach ihm fragen und sich als Landsmann outen. Im Sympathiefall gibt es eine kleine private Tour und die Chance, einen der Aussichtstürme zu erklimmen. Das sind zwar viele Stufen, der Blick auf Urbino und sein Umland entschädigt jeden einzelnen Schritt.

Autor: Jürgen Schmücking

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zuletzt geändert am 10.09.2020

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