Ayutthaya - Steinerner Kopf einer Statue von Baumwurzeln umwachsen
Ayutthaya. Foto: Christian Kneissl

Erlebnishunger und Wissensdurst

Interview mit Elisabeth Kneissl-Neumayer, Geschäftsführerin von Kneissl-Touristik.

Wenn das kulturelle Erbe im Mittelpunkt einer Reise steht, wenn aktuelle Ausstellungen, Opern oder Konzerte in das Programm eingebunden werden und wenn ein authentischer Kontakt zu Menschen und Brauchtum einer Region ermöglicht wird, sprechen wir von einer Studien- oder Kulturreise.

lebensart-reisen.at: Frau Kneissl-Neumayer, Sie bieten StudienErlebnisReisen. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Elisabeth Kneissl-Neumayer: Als wir 1984 begonnen haben, hat es noch eine klare Trennung gegeben. Bei Studienreisen hat man sich ausschließlich historische Monumente angeschaut, man ist ausschließlich im ganz strengen kulturellen Bereich geblieben und hat sich weniger um die Natur und die Alltagskultur der Menschen gekümmert. Das hat sich dann ziemlich bald geändert. Wir haben dazu den Begriff StudienErlebnisReisen geschaffen. Wir wollten nicht nur von Museum zu Kirche pilgern, sondern auch Erlebnisse aus Natur, Alltag und Musik bieten. Dazu gehört auch die Möglichkeit, etwas landestypisches zu verkosten.

lebensart-reisen.at: Was ist der Unterschied zu einer normalen Busreise?

Elisabeth Kneissl-Neumayer: Dass ich wirklich extrem viel Hintergrundinformation erhalte. Der Reiseleiter soll aber nicht nur ein wandelndes Lexikon, sondern auch Vermittler zwischen den Welten und gleichzeitig auch „Entertainer“ sein, der sich immer wieder ganz neu auf die aktuelle Gruppe einstellt. Manche Reisen sind geschichtslastig und mit Historikern bestückt, dann habe ich einige Geologen im Team, Vulkanologen für Süditalien oder die Azoren.

Ganz toll ist es, wenn sich dazwischen auch noch eine kurze Wanderung ausgeht. Zum Beispiel bieten wir den Jakobsweg nicht als Pilgerreise, sondern als Kulturreise an. Wir lernen so die großartigen Kulturpunkte auf der Strecke kennen und schauen, dass wir jeden Tag auch ein kleines Stück zu Fuß gehen. Die Reiseleiterin ist eine Deutsche, die in Santiago lebt. Sie hat so viel Liebe für das Land und eine beeindruckende Energie, das auch zu vermitteln. So wird die Reise zu einem Gesamterlebnis.

lebensart-reisen.at: Wie würden Sie den typischen Teilnehmer einer Studienreise charakterisieren?

Elisabeth Kneissl-Neumayer: Den einen Typen gibt es nicht, es ist eine bunte Mischung. Die meisten sind zwischen 45 und 70 Jahre alt, darunter viele Lehrer, aber auch Techniker, Ärzte oder interessierte Familien, die sich gerne einer Gruppe anschließen. Etwas schwer tun wir uns, junge Leute anzusprechen, weil es vielleicht nicht so cool oder lifestylig ist, in Gruppen zu reisen. Bei anderen Anbietern heißt der Reiseleiter dann „Ranger“, das ist dann so eine light-Variante einer Erlebnisreise.

Als wir begonnen haben, hatten wir nur junge Teilnehmer, weil wir aus der Naturschutz-Jugend herausgewachsen sind, Kinder und Jugendliche, mit denen wir im Zelt durch Europa gezogen sind und dann auch über Europa hinaus. Dann sind die Eltern mitgefahren, darunter viele Lehrer. Dann haben wir gesehen, dass die Hotels billiger geworden sind und man im 2-Sterne-Bereich günstig über die Runden kommt. Wenn du in Island dein Zelt im Schnee aufstellst oder wenn in der Wüste der Sturm den Sand in jede Ritze des Schlafsacks weht, könnte man sich durchaus etwas Angenehmeres vorstellen. Aber es war auch im Zelt eine wunderschöne Zeit.

lebensart-reisen.at: Wie gelingt es Ihnen, authentische Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung zu schaffen?

Elisabeth Kneissl-Neumayer: Da ist wieder der Reiseleiter gefragt. Wenn man etwa in ein afrikanisches Dorf kommt, ist man automatisch der große, reiche Reisende, schon bedingt durch die Hautfarbe und die Kleidung. Der Reiseleiter ist der Vermittler zwischen den Welten, dazu gehört ein wertschätzender Umgang mit den Dörfern und den Dorfchefs. Da geht es zuerst darum zu erfahren, wie man hier lebt, wie gekocht und was gegessen wird, wieviel Vieh eine Familie braucht, um sich ernähren zu können. Es geht darum, den Alltag kennenzulernen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Und erst zum Schluss wird man Erinnerungsfotos machen. Die Kunden wollen ja nicht in einen Menschenzoo reisen, sondern etwas über das wirkliche Leben in den Gastländern erfahren. Wir fahren auch nur zu Dörfern, von denen wir wissen, dass diese Interaktion funktioniert. Bei Touristendörfer, die es natürlich auch gibt, bleiben wir nicht stehen.

lebensart-reisen.at: Wie kommen Sie zu Reiseleitern?

Elisabeth Kneissl-Neumayer: Oft sind es Lehrer oder Universitätsprofessoren aus Österreich, aber auch teilweise Reiseleiter aus den Reiseländern, die in den Ferienzeiten können und wollen und auch die Begabung dazu haben. Bei manchen Destinationen wie Laos oder Vietnam ist es sehr schwierig, deutschsprachige Guides zu finden.

lebensart-reisen.at: Wie gehen Sie mit den Problemen des Massentourismus um?

Elisabeth Kneissl-Neumayer: Wir versuchen, andere Wege zu gehen. Zum Beispiel haben wir in Island gesehen, dass die Touristen vor allem in Reykjavik einfallen und alle die gleichen Ziele anlaufen. Man braucht sich nur eine Spur anders zu bewegen und die Massen sind nicht mehr so erkennbar. Auch hier ist der richtige Reiseleiter wichtig. Manchmal ist es auch die Uhrzeit, die den Unterschied ausmacht. In Burma kann man trotz der Touristenmassen auch ganz alleine in einem Tempel sein, wenn man früh genug aufsteht. Der Sonnenaufgang bei der Shwedagon-Pagode ist noch dazu ein besonders beindruckendes Erlebnis. Es gibt so viele schöne Plätze, wo man nicht unangenehm auffällt. Wir kommen in Gruppen von 20 bis 30 Personen. Ich möchte nicht in einen Topf mit den Kreuzfahrt-Anbietern geworfen werden, wo mit einem Schlag 3.000 Touristen in eine Stadt strömen.

Das Interview führten: Christian Brandstätter, Roswitha Reisinger

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zuletzt geändert am 03.08.2018

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