Sammlung von Stickern aus der Geschichte der Umweltbewegung.
Foto: Petra Rautenstrauch/Kollektiv Fischka, Volkskundemuseum Wien

Ausstellung: Von Zwentendorf zu CO₂

Noch bis zum 26. März beschäftigt sich eine Ausstellung im Volkskundemuseum Wien mit der Geschichte und den Kämpfen der Umweltbewegung in Österreich seit den 1970er Jahren.

Ausgangspunkt der Ausstellung sind Interviews mit 17 Umweltaktivist*innen, die in mehreren Hörstationen einen sehr persönlichen Einblick in wichtige Ereignisse und Themenfelder der Umweltbewegung in Österreich geben.

Frau sitzt mit Kopfhörer an einer Hörstation.
In Hörstationen geben 17 Umweltaktivist*innen einen sehr persönlichen Einblick in wichtige Ereignisse der Umweltbewegung in Österreich. Foto: Petra Rautenstrauch/Kollektiv Fischka, Volkskundemuseum Wien

Atomare Gefahr

Am Beginn steht die Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des fertig gebauten Atomkraftwerkes im Jahr 1978, die mit 50,47% NEIN-Stimmen denkbar knapp für die Protestbewegung ausgeht. Peter Weish, damals im atomaren Forschungszentrum Seibersdorf beschäftigt, wird mit seiner Gegen-Expertise zur Atomkraft zum „Whistelblower von Zwentendorf“. Die Journalistin und Greenpeace-Aktivistin Rosemarie Pexa erzählt von der Erstbesteigung eines Atomkraftwerks und Willi Sieber, Teil der Anti-AKW-Bewegung in Vorarlberg erinnert sich an die Herausforderungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl für das neu gegründete Ökologie Institut.

Apocalypse Au

Ein weiterer Meilenstein war die Besetzung der Hainburger Au im Jahr 1984. Diese war nicht nur ein zentraler Startpunkt für die Umweltbewegung und die Grüne Partei, sondern auch ein demokratiepolitisch wichtiges Ereignis, da die österreichische Zivilgesellschaft ihr Interesse gegen die Interessen von Regierung, Industrie und Sozialpartnerschaft durchsetzte. Ein Aubesetzer erzählt, wie er in der Nacht als Bote durch den winterlichen Auwald streift, um Informationen zwischen den verschiedenen Lagern zu verbreiten und dabei eine tiefe Beziehung zum Auwald aufbaut. Annemarie Höferle aus Stopfenreuth erzählt über den Protest der lokalen Bevölkerung gegen den Kraftwerksbau, Wolfgang Pekny schildert, wie er und seine Mitstreiter*innen im Lager Wind- und Wetter trotzten und Othmar Karas, damals Nationalratsabgeordnete, erzählt über den Auftakt des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens, die sogenannte „Pressekonferenz der Tiere“.

Gegen Gifte

Im Österreich der 1980er Jahren formiert sich Widerstand gegen giftige Abwässer, die von der Industrie ungefiltert in die Flüsse und Seen ausgebracht wurden. Obwohl sich dieser beharrliche Kampf der Umweltbewegung weit weniger ins kollektive Bewusstsein eingebrannt hat, zeitigte er ganz wesentliche Erfolge wie zum Beispiel den Umstieg von der Chlorbleiche auf Sauerstoffbleiche in der Papierindustrie. In den 1970er und 1980er Jahren gab es zahlreiche Mülldeponien in aufgelassenen Schottergruben, aber auch „wilde“ Ablagerungsstätten, wo zum Teil hoch giftiger Industrie- und Gewerbemüll vergraben wurde, was eine enorme Gefahr für das Grundwasser darstellte. Der Chemie-Campaigner und Abwasserrohr-Taucher Wolfgang Pekny erinnert sich an die erste große Kampagne „Wasser ist Leben“, Greenpeace Koordinatorin Gabriela Markovic an den Einsatz des Laborbusses und, in dem giftige Abwasserproben vor Ort chemisch ausgewertet werden konnten und die Ökologin Monika Langthaler an ihre Zeit als jüngste Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat und erste Umweltsprecherin der Grünen.

Mann im Taucheranzug im Wasser stehend, vor ihm sprudelt eine gelbe Flüssigkeit.
Wolfgang Pekny im Taucheranzug befestigt 1989 ein Gelenk am Abwasserrohr einer Papierfabrik, um das in den Fluss geleitete Abwasser sichtbar zu machen. Foto: Greenpeace Central and Eastern Europe

Zurück zur Natur

Eine zentrale Motivation für viele Menschen ist die Sehnsucht nach einer Wiederverbindung mit der Natur und der Wunsch nach einem naturnahen Leben. Dieser Wunsch drückt sich auch in einer Art der Landwirtschaft aus, die möglichst im „Einklang mit der Natur“ steht und ohne synthetisch-chemische Pestizide und künstliche Düngemittel auskommt. Die Expertin für ökologischen Gartenbau Ute Blaich erzählt über die Selbstversorgung mit Gemüse aus ihrem Garten und warum Natur im Garten heute so wichtig ist. Rudolfine Nemeth besetzte Baustellen, um den Lebensraum von Lurchen, Molchen und Wechselkröten zu schützen. Peter Bierl klärt darüber auf, dass sich innerhalb des Umweltschutzes auch rechtsextreme und anti-demokratische Bewegungen und Ideologien formierten.

Die Klimakrise

Schon Ende der 1980er Jahre hat die Wissenschaft den Treibhauseffekt erkannt und festgestellt, dass durch den massiven Ausstoß von CO₂ durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe eine Erwärmung und Veränderung des Klimas ausgelöst wird. Die Umweltbewegung hatte zu der Zeit mit anderen Problemen wie Ozonloch und das Waldsterben durch den „Sauren Regen“ alle Hände voll zu tun. Ab 1990 war dann für die Umweltbewegung klar: es gibt ein Problem mit CO₂ und dem Klima. Es folgten Klimakonferenzen auf internationaler Ebene und hierzulande meist erfolglose Apelle, den Energieverbrauch, den Individualverkehr, generell klimaschädliches Verhalten zu reduzieren.

Demozug durch die St. Pöltner Innenstadt.
Fridays for Future - Klimademo in St. Pölten September 2021. Foto: Brandstätter

Mit der schwedischen Schülerin und Aktivistin Greta Thunberg und ihrem „Schulstreik für das Klima“ und dem Auftauchen von „Fridays for Future“ ist die Umweltbewegung wieder zurück auf der Straße. Ihr geht es allerdings um weit mehr, als nur um die Verhinderung einzelner Straßen, es geht um einen Systemwechsel. Katharina Rogenhofer, die Sprecherin des Klimavolksbegehrens berichtet von der Gründung von Fridays for Future in Österreich und vom ersten Klimastreik in Wien. Die Aktivistin und Park-Rangerin Mira Kapfinger erzählt von der Klimagerechtigkeits-Bewegung System Change not Climate Change. Jutta Matysek spricht für die Bürgerinitiative „Rettet die Lobau - Natur statt Beton“ und skizziert die großen Unterschiede zwischen der Aubesetzung von Hainburg 1984 und der Besetzungen gegen die Lobau-Autobahn 2021/22. Wolfgang Rehm gibt einen Einblick darauf, was es heißt, bei Umweltverträglichkeitsprüfungen auf der Seite der Umwelt zu stehen.

Die Beschäftigung mit der Geschichte der Umweltbewegung in Österreich ist nicht nur angesichts der vielfältigen Umweltkrisen unserer Gegenwart ein dringendes Thema. Sie ist auch ein wichtiger Teil der kollektiven Umweltgeschichte, also der Beziehung zwischen der Gesellschaft und ihrer natürlichen Umwelt in der Vergangenheit. Geschichten, die bisher vor allem „ums Lagerfeuer sitzend“ erzählt wurden, sollen damit dem kollektiven Erinnern und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zugänglich gemacht werden.

Begleitet werden diese Hörstationen von Videos, Fotos und Objekten. In einer Mitmach-Station am Ende der Ausstellung können Besucher*innen ihre eigene umweltbewegte Geschichte erzählen und den Geschichten anderer Besucher*innen lauschen.

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zuletzt geändert am 15.02.2023

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