Collage aus mehreren Bildern: Eine Person in einem bunten Umhang steht auf einem Felsen über einem Bergsee. Eine Gruppe Zelte auf einem hohen Berg. Blutblättchen unter dem Mikroskop, Ein Mann mit Dreadlocks in Wintersportkleidung und schillernder Schibril
Fotos: istock/rylan wheaton/getty images/karsten winegeart/osarugue igbinoba

Glücksmomente in luftiger Höhe

Berge ziehen Menschen seit jeher in ihren Bann – sie gelten als Orte der Erholung, Inspiration und Gesundheit. Doch was passiert eigentlich mit unserem Körper und unserer Psyche, wenn wir in die Höhe steigen?

Höhenlagen ab etwa 1.500 Metern bieten zahlreiche gesundheitliche Vorteile (siehe Kasten/Grafik). Ein aktiver Lebensstil – etwa Wandern oder Arbeiten in der Natur – verstärkt sie und schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zusätzlich ist Bergsteigen oft mit erheblicher körperlicher Anstrengung verbunden, die weit über den Alltag hinausgeht. Die Bewegung in der Höhe fordert das Herz-Kreislauf-System und trainiert dabei nicht nur die Ausdauer, sondern auch die Muskulatur – besonders in den Beinen und im Rücken. Gleichzeitig erhöht eine kalte Umgebung den Energiebedarf des Körpers, was sich in einem gesteigerten Kalorienverbrauch äußert. Untersuchungen zeigen, dass regelmäßiges Training in moderaten Höhen zwischen 1.500 und 2.000 Metern nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden verbessern kann.

Der teilweise schneebedeckte Gipfel des Matterhorns ragt in den Himmel und verdeckt dabei die Sonne. Der Wolkenkranz um die Felsspitze ist vom Sonnenlicht indirekt beleuchtet.
Foto: Joshuha Earle; grafische Gestaltung: Eveline Wiebach
Grafik einer menschlichen Lunge
Grafik: mit Adobe-KI gerneriert/Prompt: E.Wiebach

„Der Weg nach oben ist anstrengend, doch man sollte unbedingt jeden Schritt genießen. Die Wanderung, der Aufstieg an sich ist ein Erlebnis. Ebenso wie die Zielerreichung. Am Zielpunkt, dem Gipfel, fällt alles ab von dir, du spürst eine große Entspannung und Erleichterung. Endlich angekommen, möchte man am liebsten oben bleiben“, sagt die erfahrene Höhenwanderin, Autorin und Wanderführerin Andrea Ensmann.

Emotionale und psychologische Wirkungen

Berge bringen uns nicht nur körperlich in Bewegung, sondern auch psychisch: Als Schnittpunkte zwischen Himmel und Erde laden sie uns ein, über den Sinn des Lebens nachzudenken oder sich spirituellen Fragen zu stellen. Die emotionalen Auswirkungen von Höhenlagen sind ebenso tiefgreifend wie individuell. Viele Menschen beschreiben die meditative Wirkung der Stille und Weite, die die Hektik des Alltags in den Hintergrund rücken lässt. Der Blick in die Ferne oder der Ausblick vom Gipfel erzeugt ein Gefühl von Freiheit und Erhabenheit, das oft lange nachwirkt. Hinzu kommt das Erfolgserlebnis, ein persönliches Ziel erreicht zu haben, was nicht nur das Selbstbewusstsein stärkt, sondern auch die eigene Resilienz fördern kann.

„In den Bergen fühle ich mich leicht. Ich lasse die Schwere des Alltags hinter mir, sie bleibt unten im Tal. Dort oben, dem Himmel näher, erfahre ich eine Leichtigkeit des Seins, eine meditative Haltung. Die üblichen Sorgen und die damit verbundenen ewig wiederkehrenden Gedanken werden stiller und dadurch fühlt sich das Leben wunderbar leicht und frei an. Das ist auch ein Grund, warum ich bei meinen Wanderungen und Reisen möglichst lange am Berg bleibe und oft auch übernachte“, sagt Andrea Ensmann. Ihre Liebe zu den Bergen, zum Wandern immer höher hinauf und ihr Abenteuergeist lassen sie immer wieder zu nahen und fernen Zielen (z. B. Marokko, Armenien, Georgien) aufbrechen, um ein Stück unseres Planeten zu entdecken.

Die Verbindung zur Natur spürt man am Berg stärker als im Tal. In den Höhenlagen ist die Umgebung oft unberührt und rau, was anregt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Diese Erfahrung führt bei vielen zu einem Gefühl der Dankbarkeit und einer tiefen Verbundenheit mit der Natur.

Andrea Ensmann am Omalo-Trail in Georgien: Die Frau steht in kurzärmeliger Wanderkleidung und schwer bepackt mit einem großen Rucksack auf einem sanft hügeligenm grün bewachsenen Höhenwanderweg. Im Hintergrund schimmert bläulich ein zerklüftetes Gebirgsma
Andrea Ensmann am Omalo-Trail in Georgien. Foto: Andrea Ensmann

Entschleunigung in den Bergen: Der Weg als Ziel

Der wahre Reichtum und die Erkenntnisse, die das Bergsteigen bieten kann, entfalten sich nicht, wenn wir Berge ausschließlich mit einem sportlichen oder leistungsorientierten Ziel erklimmen. Die Hektik einer leistungsgetriebenen Gesellschaft lässt sich nur schwer abschütteln, wenn wir denselben Druck in die Natur tragen. Ohne inneren Abstand zum Alltagsstress bleibt der Geist getrieben – auch in der Ruhe der Bergwelt. Und wer die Berge im Eiltempo durchquert, läuft Gefahr, ihre Schönheit und ihre inspirierende Kraft zu übersehen.

Die Lösung liegt in einem bewussten, entschleunigten Ansatz: Der Weg wird zum Ziel. Ein gemäßigtes Tempo mit ruhigem Schritt schenkt uns nicht nur Ausdauer, sondern auch die Möglichkeit, mit der Natur in Resonanz zu treten. So kommen wir nicht nur physisch, sondern auch geistig und emotional an.

Wer es schafft, im Moment zu verweilen, wird die Berge in ihrer ganzen Vielfalt erleben. Indem wir uns Zeit zum bewussten Atmen, Schauen und Staunen nehmen, entfaltet sich ihre beeindruckende Ästhetik und Ruhe. So fördert ein Aufenthalt in den Bergen nicht nur unsere Gesundheit, sondern schenkt uns auch Regeneration und innere Balance.

Wie lange halten die Effekte an?

Die körperlichen Anpassungen an die Höhe, wie die erhöhte Produktion roter Blutkörperchen, können Wochen bis Monate anhalten. Die emotionalen Effekte, wie das Gefühl von Klarheit und Ruhe, sind individueller Natur. Manche berichten, dass die Erinnerungen an solche Erlebnisse sie über Wochen motivieren und stärken, während andere von einer nachhaltigen Gelassenheit berichten.

„Am Berg passiert etwas mit dir, dass du auch künftig nicht mehr missen möchtest. Obwohl es anstrengend und gefährlich sein kann, will man unbedingt wieder hinauf und neue Glücksgefühle auf anderen Bergen erleben. Jeder Berg hat seinen Reiz und der Ruf, endlich wieder Gipfel zu besteigen, wird nach einiger Zeit im Tal immer lauter“, sagt Ensmann.

Thomas Hartl

Bitte unterstütze unsere nachhaltige Bildungsarbeit mit einem Abo:

Abo bestellen

Folge lebensart-reisen auf instagram>>>

zuletzt geändert am 12.02.2025

Finde uns auf Facebook teilen Instagram