Familie Lobnig (2 Erwachsene und 5 Kinder) auf einer Bank mitten in der weiten Landschaft Südenglands.
Foto: Lobnig

Mit der Familie in Südengland

Kein klassischer Familienurlaub, aber aufregend: Sandra Lobnig war mit ihrer Familie in Südengland. Sie fragt sich, wie das Reisen mit Teenagern sein wird und ob sie ihren Kindern angesichts des Klimawandels überhaupt noch die Welt zeigen kann.

Von den unzähligen Brombeerbüschen hat uns niemand erzählt. Sie wuchern hier in Devil’s Dyke und tragen massenhaft süße Früchte. Zum Glück haben wir einen Teil unseres Wander-Proviants bereits auf der Herfahrt aufgegessen. In den leeren Jausenboxen sammeln unsere Kinder nun all die Brombeeren, die sie finden – und nicht sofort in den Mund stecken. Endlich beginnt unser Ausflug in den South Downs, einer Kreidelandschaft im Süden Englands nahe Brighton, auch den Kindern – es sind fünf zwischen zwei und elf Jahren – zu gefallen, nachdem sie sich zuerst beschwert haben. Lieber wollten sie an den Strand oder im Garten der Ferienwohnung spielen. Mein Mann und ich aber finden: Wer so weit fährt, um in Südengland Urlaub zu machen, muss die Gegend auch zu Fuß erkunden.

Zwanzig Autominuten von unserem Urlaubsquartier in der Grafschaft Sussex entfernt haben wir eines der beliebtesten Ausflugsziele der ortsansässigen Engländer ausfindig gemacht: Devil’s Dyke, ein Tal, das der Legende nach der Teufel persönlich in die Landschaft geschlagen hat und das tatsächlich während der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren entstanden ist.

Mit der Fähre von Calais nach Dover

Die South Downs: das sind sanfte, grüne Hügel, die dort, wo sie auf das Meer treffen, in steilen Klippen abfallen. Besonders berühmt sind die Seven Sisters, eine spektakuläre weiße Kliffküste, die wir einige Tage später besuchen werden. Unser Ziel heute ist ein Bauernhof mit Café und ein paar Tieren in Devil’s Dyke. Brombeeren sei Dank schaffen wir einen Gutteil des Weges gut gelaunt, schlecken im Bauernhofcafé Eis, essen englischen Kuchen und trinken Kaffee. Der Rückweg in der Hitze verlangt uns dann doch einiges ab und wir kommen abends wieder erschöpft beim Auto an.

Kinder gehen auf einem Wiesenweg inmitten grüner Hügel, die vereinzelt mit Büschen und Baumgruppen bewachsen sind.
Lange Wanderungen sind für Kinder schnell fad. Da muss unbedingt Abwechslung her. Foto: Lobnig

Wir hatten schon länger vor, als Familie mit dem Auto nach England zu reisen. Glücklicherweise kann man mit unseren Kindern viele Kilometer machen, solange es ausreichend Snacks, ein paar Spiele, Bücher und digitale Medien gibt. Wir bewältigen die Fahrt über Deutschland und Belgien bis zum Hafen im französischen Calais in drei Etappen, übernachten am Weg in günstigen Unterkünften und sind alle aufgeregt, als wir schließlich auf die Fähre fahren, die uns in rund 90 Minuten nach Dover bringen wird.

Nicht zu viel Programm

Wir Erwachsene freuen uns auf British English, malerische Dörfer und wilde Küstenlandschaften. Wichtig für die Kinder, wie immer im Urlaub: viel Zeit am Strand und Eis. Von englischen Burgen und Schafherden auf grünen Wiesen würden sie sicherlich ebenso begeistert sein – das wussten wir. London steht auch auf unserem Programm. Obwohl uns bewusst ist, dass Sightseeing in der Großstadt mit kleineren Kindern eher anstrengend als gemütlich werden würde. Insgesamt dauert unsere Reise etwas über drei Wochen. Wir bemühen uns um ein ausgewogenes Verhältnis von Kultur, Natur und Faulenzen, planen viel Zeit zum Spielen und Baden ein. Und auch wenn das Wetter nicht jeden Tag sommerlich ist: Unsere kälteunempfindlichen Kinder stürzen sich in die 18 Grad kalten Wellen, während ich ihnen im Pulli vom Strand aus zuwinke und mir der Wind um die Ohren bläst.

Damit jedes Familienmitglied auf seine Kosten kommt und auch den Kindern eine solch ausgedehnte Reise in ein Land gefällt, das sie kaum kennen, müssen wir Eltern – neben unseren eigenen – vor allem die Bedürfnisse der Kinder im Blick haben. Aus früheren Reiseerfahrungen wissen wir: Zu viel Programm macht sie unzufrieden. Die Kleinen beginnen zu quengeln, die Größeren sagen deutlich, wenn ihnen etwas nicht passt. Überhaupt: Je älter die Kinder werden, umso ausgeprägter sind ihre eigenen Vorstellungen, wie Urlaub auszusehen hat.

Die fünf Kinder von Stefan und Sandra Lobnig sitzen während der Wanderung im Gras
Jetzt sind wir echt schon müde! Foto: Lobnig

Reisen mit Teenagern

Ich gebe zu: Ein bisschen fürchte ich mich schon vor der Pubertät unserer Kinder. Werden wir Eltern bald nur noch zu zweit unterwegs sein, weil unsere jugendlichen Kinder keine Lust mehr auf Familienurlaub haben? Oder verreisen wir dann mit schlecht gelaunten Teenagern, für die eine gute WLAN-Verbindung am Urlaubsort oberste Priorität hat? Ich frage nach bei der Elternberaterin Ines Berger, wie Urlaub auch mit anspruchsvollen Teenagern gelingen kann. „Einer der wichtigsten Punkte beim Urlaub ist für Jugendliche tatsächlich WLAN“, sagt sie. „Eltern unterschätzen das oft.“

Berger hat vor allem einen Tipp für einen entspannten Urlaub mit Teenagern: Sich vor der konkreten Planung zusammensetzen und die Wünsche aller Familienmitglieder auf den Tisch legen. „Für Jugendliche ist es sehr wichtig, dass sie und ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden. Das bedeutet nicht, dass Eltern alle Wünsche auch erfüllen müssen. Was zählt, ist die Haltung der Eltern ihren Kindern gegenüber, dass sie sie wirklich verstehen wollen.“ Eltern dürften dabei ebenso ihre Wünsche äußern. „Eine Mahlzeit am Tag, die man zusammen einnimmt, zum Beispiel. Oder in einer Woche zwei bis drei Ausflüge, zu denen die Jugendlichen mitkommen: Eltern können das ruhig einfordern, auch wenn die Kinder dann vielleicht grantig sind.“ Schlechte Laune dürfe sein, sagt Ines Berger, Eltern dürften und müssten das auch mal aushalten. „Wenn die Kinder oder die Erwachsenen nicht gut drauf sind, bedeutet das nicht, dass der gesamte Urlaub eine schlechte Idee war.“

Picknick und Fußball im Hyde Park

Miese Stimmung gibt es auch auf unserer Englandreise immer wieder. Bei unserem mehrtätigen Aufenthalt in London ist die Laune bereits am ersten Tag im Keller. Es ist heiß, in den Bussen – so spannend die roten Doppeldecker für die Kinder anfangs auch sind – drängen sich die Leute und Big Ben und 10 Downing Street beeindrucken nicht alle. So geht das nicht, stellen mein Mann und ich am Abend erschöpft fest, und ändern die Pläne für den nächsten Tag: Er bricht mit den drei Großen früh zum Buckingham Palast auf, ich bleibe mit den zwei Kleinen in unserer Unterkunft. Später treffen wir uns im Hyde Park, wo wir picknicken und Fußball spielen. Für die restlichen Tage in London nehmen wir uns eine größere Sehenswürdigkeit pro Tag vor, was darüber hinaus möglich ist, ist unser Tagesplus.

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Sandra und Stefan Lobnig mit ihren fünf Kindern in London. Foto: Lobnig

Reisen in Zeiten des Klimawandels

Es ist großartig, unseren Kindern die Welt zu zeigen. Mit ihnen durch New York zu spazieren oder in der Savanne Afrikas Elefanten zu beobachten, fände ich genauso reizvoll, wie mit ihnen über die Klippen der englischen Kreideküste zu staunen. Ist das angesichts der Folgen des Klimawandels überhaupt noch denkbar? Wer nachhaltig leben und reisen will, wird wohl kaum zweimal im Jahr eine Fernreise machen. Haben unsere Kinder also Pech gehabt, wenn es darum geht, exotische Länder zu bereisen, andere Kontinente zu entdecken oder in fremde Kulturen einzutauchen?

„Kein Pech“, sagt die Reisejournalistin und Buchautorin Maria Kapeller, „es ist vielmehr Glück, wenn Kinder Eltern haben, die ihnen vermitteln, wie wichtig Umweltschutz ist.“ Eltern von heute gehörten laut Kapeller der „Generation Ryanair“ an, für die es von Jugend an selbstverständlich war, durch die Welt zu jetten. Viele von ihnen stünden – so wie wir – vor der Frage: Wie gelingt Horizonterweiterung, wie man sie beim Reisen erlebt, wenn man nicht mehr gedankenlos ins Flugzeug nach Peru, Thailand oder Namibia steigen möchte?

Gar keine Fernreisen mehr oder eine in fünf Jahren? Mit dem Auto nach Griechenland oder mit dem Zug nach Südfrankreich? Eine eindeutige Antwort auf die Frage, welche Reisen in Zeiten des Klimawandels noch opportun sind, hat Maria Kapeller für mich nicht. „Das muss jede Familie für sich selbst entscheiden“, sagt die Reisejournalistin. „Ich denke: Eine Eigenschaft von Reisenden ist es idealerweise, sich an der Welt zu beteiligen. Wer das tut, kommt nicht umhin, sie schützen zu wollen.“

Anreise

Wer mit dem Auto nach England reist, kommt entweder via Autozug im Eurotunnel ab Calais oder mit der Fähre auf die Insel. Fährverbindungen nach England gibt es einige, am kürzesten ist die von Calais nach Dover, wo Reisende von weißen Kreidefelsen an der englischen Küste begrüßt werden. Es lohnt sich, früh zu buchen und die Preise zu vergleichen, die stark variieren können.

Mit den Öffis geht es am Besten mit dem Nachtzug von Wien nach Brüssel oder nach Paris und von dort weiter nach London.

Autorin: Sandra Lobnig

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zuletzt geändert am 24.08.2023

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