Nahe an einer Klippe am Mittelmeer sitzen drei Personen im trockenen Gras und zeichnen.
Foto: www.sommerakademie.at

Gemeinsam Neues probieren

Improvisationstheater, kochen, malen, philosophieren und in fremde Lebenswelten eintauchen: Der Urlaub schafft das beste Umfeld, um Neues kennenzulernen und aktiv etwas zu lernen.

Grillen zirpen, das Meer rauscht, der Oleander blüht. Das Dorf Vasilikos auf der griechischen Insel Zakynthos ist seit mehr als 30 Jahren Anziehungspunkt für Menschen, die im Urlaub aktiv künstlerisch tätig sein möchten. Während der Sommerakademie Griechenland (SOAK), die von Mai bis September nach Zakynthos einlädt, werden mehr als 100 Kurse angeboten: von Malerei über Theater, Bildhauerei, Tanz bis zu Fotografie, Sport, Singen und Schreiben. Wer mitmacht, kann sich selbst und das eigene Potenzial entdecken – ohne Leistungsdruck und umgeben von einer Gemeinschaft.

„Wir setzen stark auf Individualität in der Gruppe“, erklärt Wolfgang Löhnert, Projektleiter der Sommerakademie. Man kann im Pauschalangebot oder individuell anreisen, eine, zwei Wochen oder länger eingebettet in die Struktur eines griechischen Dorfes leben und sich jeden Tag nach Lust und Laune selbst einteilen. Je nach Saison wählt man aus zwölf bis 20 Kursangeboten, die jeweils maximal zwei Stunden dauern, und kann so in Neues hineinschnuppern oder bereits Bekanntes weiter ausüben. „Niemand muss sich selbst oder anderen etwas beweisen, das gemeinsame kreative Erleben steht im Vordergrund“, sagt Löhnert. Laien und Profis lernen mit- und voneinander – man schaut sich gegenseitig über die Schulter, freut sich über Lob und Anerkennung, berät sich in fachlichen Aspekten oder nimmt mit, wie andere mit Fehlern und Rückschlägen umgehen. Das kann Hürden abbauen und das eigene Tun erleichtern. „Am Ende nimmt jede*r ein interessantes Werkstück oder neue, bereichernde Erfahrungen mit nach Hause.“

Das Lernen in der Gruppe hält viele positive Erfahrungen parat: Die Fertigkeiten anderer motivieren einen, man hilft sich gegenseitig und fühlt sich gut aufgehoben, erklärt die Psychologin Sonja Unger.

Von Griechenland nach Österreich: Kreative Reiseangebote bündelt die Plattform „Kreativ Reisen Österreich“ des gleichnamigen Vereins aus Niederösterreich. 70 bis 80 Workshops und Kurse in den Bereichen Kunst und Kultur, Handwerk und Kulinarik laden ein, gemeinsam mit anderen in neue Aspekte der eigenen Heimat einzutauchen. Die Idee dazu hatte Reisespezialistin und Autorin Elena Paschinger, als sie auf einer Weltreise das kreative Angebot in Neuseeland kennenlernte. Nach ihrer Rückkehr zog sie das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Vater Hermann auf.

Vom Bemalen des eigenen Souvenirs über den Schmiedekurs im Freilichtmuseum bis zum Kochkurs ist die Palette bunt gemischt. Die Philosophie: Weniger bekannte Orte entdecken, auf Menschen mit speziellen Kenntnissen treffen und eingebunden in eine Gruppe von ihnen lernen. „Durch das gemeinsame kreative Schaffen entsteht schnell ein angenehmes Gruppengefühl“, erzählt Paschinger. Beim Reisen selbst in Aktion zu treten und kreativ zu werden, schweiße zusammen und stelle einen sehr persönlichen Bezug zum besuchten Ort her. Paschinger spricht von „modernem Kulturtourismus“: sich vor Ort einbringen und aktiv eine Rolle spielen. Auch bei der zweiten Schiene, „Genussreisen Österreich“, steht das gemeinsame, genussvolle Erleben im Zentrum – und nicht selten werden Teilnehmende zu Stammgästen, die sich gleich gemeinsam für weitere Kurse verabreden.

Über wiederkehrende Mitreisende freut sich auch Christoph Mülleder vom Reisebüro Weltanschauen in Oberösterreich. Er ist Vorreiter in Sachen nachhaltige Gruppenreisen und ermöglicht die Begegnung mit Menschen, die man im Urlaub wahrscheinlich sonst nie treffen würde. In Uganda sind es unter anderen die Mill-Hill-Missionare, die im Dorf Panyangara nahe der Stadt Kotido im Nordosten des Landes eine Bäckerei betreiben. Dort wird Brot für die ansässige Bevölkerung gebacken, dort gibt es Arbeitsplätze und eine Bäckerausbildung für junge Menschen. Das Mehl wird bei lokalen Bauern gekauft, die Gewinne fließen in Sozialprojekte.

Eine Einheimische lehrt einer Weltanschauen-Urlauberin, wie man einen Korb aus Blättern und Halmen flechtet. Die beiden Frauen sitzen im Laub unter Bäumen, beide lächeln freudig und wirken entspannt.
Weltanschauen: Bei diesen Reisen steht die Begegnung mit Menschen im Vordergrund, die man bei einem herkömmlichen Urlaub nicht treffen würde. Foto: Wolfgang Scheidl

Als langjähriger Caritas-Mitarbeiter hat Mülleder ein Kontakt-Netzwerk zu Sozialorganisationen, Journalist*innen, Reiseführer*innen und engagierten Menschen aus der Zivilgesellschaft aufgebaut. Die Begegnung mit ihnen eröffnet den Reisegruppen den unmittelbaren Zugang zu ökologischen, sozialen und politischen Themen. Auch die Mill-Hill-Missionare sind Projektpartner der Caritas. Ihr Ziel ist es, die Einkommenssituation der kleinen Bauern zu verbessern. Das gelingt vor allem durch den Aufbau von Frauengruppen, Schulungen im Ackerbau und ersten Zusammenschlüssen als Vorstufe zu Genossenschaften. Die Ordensbrüder zeigen der Reisegruppe nicht nur ihre Projekte, sie ermöglichen auch, mit den Menschen im Dorf in Kontakt zu kommen, und begleiten die Gruppe bei einer Wanderung auf die umgebenden Hügel. Übernachtet wird sehr spartanisch in der Missionsstation. „Weltanschauen“ hat tatsächlich sehr viel mit einem anderen Blick auf die Welt zu tun, einen Blick hinter die Kulissen zu machen und neue Perspektiven einnehmen zu können.

Viele schließen sich den Gruppenreisen auch an, weil sie sich alleine zu unsicher fühlen. Mülleder bekommt häufig die Rückmeldung, dass seine Reisen auch von Menschen gebucht werden, die sich bisher nicht mit klassischen Gruppenreisen anfreunden konnten. „Die Menschen, die sich für unsere Reiseangebote interessieren, sind recht offen, unkompliziert, können sich auf Neues einlassen und wollen sich einbringen. Menschen, die nicht nur konsumieren, sondern Teil von etwas sein möchten. So entsteht schnell eine schöne Gemeinschaft“, erzählt er. Außerdem gilt die Philosophie: weniger ist mehr. Das bedeutet, kein vollgestopftes Programm, sondern genügend Zeit für sich selbst und das Miteinander. Der CO2-Ausstoß der Flugreise nach Uganda wird übrigens gleich im Land kompensiert. Natürlich informiert sich die Gruppe im Zuge der Reise persönlich darüber, was mit den Ausgleichsgeldern geschieht.

Nicht nur neue Wege gehen, sondern im Alpenraum auch in geistige Welten eintauchen lässt sich beim Philosophischen Wandern. Ist man mit dem Philosophen Kai Kranner aus dem Waldviertel unterwegs, widmet man sich eine Woche lang jeden Tag einer bis zwei philosophischen Denkrichtungen zu einem bestimmten Thema, etwa Freiheit. Man erzählt sich beim Gehen, wie man das Thema persönlich erlebt – was Freiheit zum Beispiel für einen selbst bedeutet und welche Erfahrungen man damit gemacht hat. Gegangen wird in mehreren flotten Etappen pro Tag. „Wer mitgeht, soll sowohl körperlich als auch geistig an Grenzen kommen“, sagt Kranner. Das sei wichtig, um auch die leibliche Erfahrung zu machen: In manchen Momenten ist das Gehen so anstrengend, dass kein Denken mehr möglich ist. Und umgekehrt: Das Denken kann so intensiv sein, dass die Beine stoppen und der Körper nicht mehr in Bewegung ist.

Für die einzelnen Etappen werden jeweils zwei Personen zusammengewürfelt. „Dabei kommen oft Menschen zusammen, die sich sonst vermutlich nicht begegnen würden“, erzählt der Philosoph. In der Folge entstünden sehr bereichernde und berührende Momente, weil der persönliche Austausch verbindend wirke. In abendlichen „Salongesprächen“ redet die Gruppe über ihre Erlebnisse, begleitet von philosophischem Basiswissen. „Dabei wird erkennbar, wie viele philosophische Ansätze wir Menschen im Alltag eigentlich verwenden und in welchen Lebensbereichen überall Philosophie steckt.

Maria Kapeller, Christian Brandstätter

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zuletzt geändert am 14.12.2023

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