Ein Spaziergang durch das Heidenreichsteiner Hochmoor
Hochmoore gehören zu den wohl eigenartigsten Lebensräumen. Angelika Ebhart, Naturvermittlerin im Naturpark Heidenreichstein, führt durch ihre ganz spezielle Wunderwelt.
Wir treffen uns im Naturparkzentrum etwas außerhalb von Heidenreichstein. „Das Heidenreichsteiner Moor ist Naturschutzgebiet und Naturpark,“ erzählt Angelika. „Naturschutzgebiet heißt, dass es im Gebiet direkt rund ums Moor keine Forstwirtschaft gibt, es bleibt einfach alles so, wie es ist. Das Schutzgebietsfläche ist nur rund 30 Hektar groß, wir sind damit der zweitkleinste Naturpark in ganz Österreich, einfach deswegen, weil das Moor so klein ist.“
Die Wanderung startet auf befestigten Forststraßen. Hier wird der Wald genutzt, es ist ein typischer Fichtenforst. Viele Fichtenwälder waren ursprüngliche Moorflächen und haben noch immer den Torf im Untergrund. Die Moore wurden entwässert, dazu hat man Gräben gezogen, Wälle aufgeschüttet und darauf die Bäume gepflanzt. Angelika: „Das ist in den 1970er Jahren sogar gefördert worden. Später hat man erkannt, dass das nicht nur ökologisch schlecht ist, sondern auch wirtschaftlich nichts bringt, weil die Fichten einfach nicht g‘scheit gewachsen sind und vom Wind leichter umgeblasen wurden.“
Beim „Hängenden Stein“, einer Gruppe von aufeinander liegenden Granitsteinen, machen wir Halt. Und nein, es ist kein Wackelstein. „Wir Waldviertler sind da ganz genau. Wackelsteine sind nur die, die sich tatsächlich auch bewegen lassen. Hier ist das nicht der Fall. Im Nachbarort Amaliendorf, da gibt es einen echten Wackelstein. Und dort befindet sich auch das Haslauer Moor."
10.000 Jahre Erdgeschichte
Da wir bald die Schutzzone erreichen werden, ist dieser mystisch anmutende Platz eine gute Gelegenheit für Angelika, alles über Moore und ihre Entstehung zu erzählen. „Nach der letzten Eiszeit, also vor etwa zehntausend Jahren, bildeten sich in wasserundurchlässigen Granitwannen Seen, die nach und nach vom Ufer aus zugewachsen und verlandet sind. Abgestorbene Pflanzen fielen ins Wasser und wurden unter Sauerstoffabschluss nicht vollständig zersetzt. Diese Pflanzenreste haben sich immer weiter aufgeschichtet und im Lauf vieler Jahrhunderte eine mehrere Meter dicke Torfschicht gebildet. Zuerst entsteht ein Niedermoor, der See ist voll mit Torf, hat aber noch immer eine Verbindung zum Grundwasser und zum Oberflächenwasser aus der Umgebung. Wächst die Torfschicht aus dem Einflussbereich des nährstoffreichen Grundwassers hinaus, können sogenannte Hochmoore entstehen, die ausschließlich vom Regen gespeist werden. Torfmoose sorgen dafür, dass die Torfschicht weiterwächst, pro Jahr um etwa einen Millimeter.“
Als wir beim Moor ankommen, tut sich eine eigenwillige Landschaft auf. Wir stehen am Rand einer weiten Lichtung, aus der ganz vereinzelt Kiefern und Birken herauswachsen. Vom Spazierweg führt ein Holzsteg hinaus auf die Moorfläche. Angelika erklärt, dass die Nährstoffe hier sehr rar sind. Dazu kommen unwirtliche Verhältnisse durch den hohen Säuregehalt des Wassers. „Das Torfmoos ist die wichtigste Pflanze, weil sie das Regenwasser wie ein Schwamm speichern kann. Dazu kommt noch eine Handvoll Arten, allesamt Spezialisten, die an diese extremen Bedingungen angepasst sind und nur in Mooren wachsen. Bekannt ist vor allem der fleischfressende Sonnentau. Dass eine Pflanze zur Fleischfresserin wird, ist für Angelika das beste Beispiel für die Anpassung an den nährstoffarmen Lebensraum. „Weil über die Wurzeln zu wenig aufgenommen werden kann, holt sich der Sonnentau die Nährstoffe einfach über die Insekten.“
Auch unter den tierischen Bewohnern finden nur die wenigsten sauer lustig. Fische fehlen in den dunklen Moortümpeln meist völlig, dafür besiedeln Moorfrösche diesen ungemütlichen Lebensraum. An wenigen Tagen im Jahr, zur Paarungszeit, verfärben sich die Froschmännchen blau und sind nicht nur für die Weibchen prachtvoll anzusehen. Wohl fühlen sich auch verschiedenste Insekten wie Libellen und einige Käfer, die auf diese Lebensräume angewiesen sind.“
Es ist Mitte April, als wir da auf dem Steg stehen. Die Vegetation ist noch nicht besonders üppig. Man sieht Rauschbeeren, die gerade austreiben und die Blätter der Moosbeere. „Wenn man viele Pflanzen sehen will, ist die beste Zeit für einen Besuch im Moor definitiv der Juni. Aber auch der Spätsommer hat seinen besonderen Reiz“, empfiehlt Angelika.
Keine schaurigen Vorkommnisse
Mich interessiert, was passieren würde, wenn ich den Steg verlasse und ins Moor hineingehe. In Erwartung einer schaurigen Geschichte vom langsamen Versinken und den unausweichlichen Tod kommt die eher ernüchternde Antwort von Angelika: „Wahrscheinlich gar nichts, außer dass man nasse Füße kriegt. Die Wurzeln bilden ein Netz, das die Oberfläche so gut stabilisiert, dass man darauf stehen kann.“ Dann holt sie eine Lawinensonde aus ihrem Rucksack, die aufgeklappt knapp zweieinhalb Meter lang ist, sticht damit in den Boden und der Stab versinkt fast zur Gänze im Moor.
Außerhalb der freien Moorfläche, wo der Wald beginnt, sind einige kleine Löcher im Boden, die mit Wasser gefüllt sind. Auch hier lässt Angelika die Lawinensonde in den Boden gleiten und siehe da, auch hier versinkt der Stab locker zwei Meter. Und wenn man zu hüpfen beginnt, schwingt der Boden mit. „Der Großteil des Naturschutzgebietes schaut eigentlich so aus“ erzählt Angelika. „In den Moorwaldflächen haben wir teilweise eine dickere Torfschicht als auf den Freiflächen, weil hier vermutlich nur wenig oder gar kein Torf abgebaut wurde. Durch die Baumwurzeln wird das Ganze stabilisiert.“
Schutz der Moore
Durch die intensive Nutzung und Entwässerung hat der Mensch viele dieser Naturjuwele unwiederbringlich zerstört. Angelika: „40 bis 50 Jahre lang hat man hier in Heidenreichstein Torf gestochen, meistens für private Heizzwecke, bis etwa 1930 und dann nach dem Zweiten Weltkrieg nochmal kurz ein paar Jahre. Als es unrentabel geworden ist, hat man damit aufgehört.
In manchen Regionen wurde der Torf jedoch industriell abgebaut und von den Glashütten als Brennmaterial zur Glasproduktion verwendet. Dabei hat Torf gar keinen so tollen Brennwert, es war einfach ein billiger, regional verfügbar Rohstoff, und das Moor war ja nutzloser Lebensraum für die Menschen.“ Später wurden dann viele Moorflächen trockengelegt und aufgeforstet.
Torf findet auch im Gartenbau Verwendung. Durch den niedrigen PH wert kann man ihn so aufdüngen, dass er für jede Pflanze passt. Und weil Torf viel Wasser speichert, braucht man weniger Gießen. Abgebaut wird er vor allem in Finnland, Deutschland, Schweden, Lettland und Weißrussland. Für den Privatbereich gibt es mittlerweile Ersatzstoffe, im Erwerbsgartenbau stellen einzelne Betriebe um oder reduzieren den Torfeinsatz.
In Österreich stehen heute alle Moore unter Naturschutz. Für den Torfabbau gibt es nur eine Ausnahme, und zwar für Heilzwecke und das nur unter strengen Auflagen in Bezug auf eine darauffolgende Renaturierung. Der Torf, der für medizinische Zwecke etwa für Moorpackungen verwendet wird, wird wieder zurückgebracht.
„Das Bewusstsein für den Moorschutz hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen“, stellt Angelika bei ihren Führungen fest. Zum einen schützt man die Moore, weil es sich um ein besonderes Ökosystem handelt, zum anderen, weil das Moor viel Kohlenstoff speichert und damit für den Klimaschutz wichtig ist.“
Problem Trockenheit
Die Trockenheit ist heute das größte Problem. Angelika zeigt mir links neben dem Weg eine Sperre aus Lärchenbrettern in einem Entwässerungsgraben. „Mit diesen Dämmen soll der Wasserstand auf den Moorflächen stabil gehalten werden.“ Im Winter werden auch Bäume und Büsche entfernt. „Die sind prinzipiell kein Problem und für ein Hochmoor durchaus typisch. Wir haben allerdings jetzt schon sehr wenig Niederschlag, was eine Hochmoorbildung verhindert. Durch die Verdunstung der Bäume und Büsche wird einfach zu viel Wasser entzogen. Auf der anderen Seite fördert eine zu starke Sonneneinstrahlung wieder das Wachstum. Da gilt es beim Auslichten eine gute Balance zu finden, um die Moorpflanzen zu fördern.“ Solche Pflege- und Renaturierungsmaßnahmen in beeinträchtigten Mooren können die einzigartigen Moorlandschaften für die Zukunft schützen und ihre Einzigartigkeit für die kommenden Generationen erhalten.
Wieder zurück im Naturparkzentrum gibt es Kaffee mit wunderbaren selbstgemachten Kuchen. Der Erlös der Gastronomie kommt dem Naturparkverein zugute, der das Zentrum betreibt.
Anreise
Heidenreichstein erreichst du mit Öffis von Wien aus in knapp zweieinhalb Stunden. Mit dem Zug bis Göpfritz an der Wild und dann weiter mit dem Regionalbus 760 bis Haltestelle Heidenreichsteiner Steinbruckhäuser. Von St. Pölten führt die Route in knapp drei Stunden über Tullnerfeld und Tulln nach Göpfritz.
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zuletzt geändert am 16.05.2025