Eine moderne Rikscha in Wien
Mit der Rikscha unterwegs in Wien, Foto: Namasté Wien

Ein Tag Indien

Eine Reise, die mit einem Mango-Lassi beginnt, kann keine schlechte Reise werden. Wie wäre es mit einem Kurzurlaub in Indien – ohne Jetlag und ohne Stress?

Gerade herrschte in der kleinen Küche noch emsiges Treiben, dann eine fast andächtige Stille – alle scharen sich um eine Kochstelle, wo die ersten Pakoras – Gemüse im Kichererbsenteig – aus dem heißen Fett gehoben werden. Goldgelb und knusprig schmecken sie nach Königskümmel, Zwiebel, Koriander und ein klein wenig scharf. Sie werden, quasi zur Abkühlung, in Sauce getunkt – Joghurt auf der einen, grüne Mango auf der anderen Seite –, zur Geschmacksexplosion mischen sich Knoblauch und Koriander, Ingwer und ein wenig Chili.

Dann beginnt die Geschäftigkeit von neuem – Nelken, Zimt, Kurkuma, Paprika, Curryblätter und Chana Masala wandern aus großen Gläsern in Töpfe, Reis dampft in Schüsseln und aus Mehl und Wasser werden handtellergroße, dünne Fladen – Chapati – geformt. „So“, sagt Pammi Kaur und zeigt mit einer Handbewegung vor, wie der Teig ausgerollt werden soll. Ihre Bewegungen sind energetisch, ihr Lachen ansteckend und es ist ganz klar: Sie hat in der Küche das Sagen. Das Tuch, das sie zu ihrem gleichfarbigen Salwar Kamiz – einer Hose mit einem längeren, ab der Hüfte geschlitzten Hemd – trägt, hat sie längst wie einen Schal über die Schulter geworfen und die Enden im Rücken verknotet, um sie außer Reichweite von siedendem Öl und Gasflamme zu halten.

Eine bunte Gruppe von Menschen bei einem Kochkurs, an der Wand der Küche hängt ein Regal, vollgestellt mit verschiedensten Gewürzen in verschraubbaren Gläsern.
Gemeinsames Kochen, Foto: Namaste Wien

Während unsere Gaumen so die nordindische Küche erschmecken und unsere Hände ein wenig indische Kochkultur erfühlen, stehen unsere Beine fest verwurzelt im Herzen von Wien – und doch mitten auf Indienreise.

Aus der Josefstadt nach Delhi

Diese Reise beginnt im 8. Bezirk in einem echten Wiener Hindu-Tempel, wo uns Amita Lugger, Präsidentin des Vereins „Ganesha“, einen Einblick in hinduistische Bräuche und Feste, ihre Geschichte und Philosophie gibt und uns indischen Göttern und Göttinnen in ihren verschiedenen Formen begegnen lässt. Riesige Statuen und Prunk sucht man in dem kleinen Tempel vergeblich – und findet stattdessen einen sympathischen spirituellen Ort mit viel positiver Energie.

In einem großen Raum mit weißen Wänden und hellem Parkettboden sitzt eine Frau im Sari und traditionell geschminkt an einem weißen Tisch und hält einen Vortrag zum Thema indische Traditionen. Mit Laptop und Beamer ist eine Präsentation an die Wand hinter
Amita Lugger, Präsidentin des Vereins „Ganesha“, Foto: Namasté Wien

So aufgeladen trägt uns die Straßenbahnlinie 5 über die Bezirksgrenze zu einem festen Bestandteil Wiener internationaler Einkaufskultur. Wenige Stufen unter Gehsteigniveau liegt der Supermarkt Prosi. Kennt man eine Zutat nicht oder weiß nicht, wo sie zu finden sein könnte, ist die Antwort sehr oft „Prosi“ – egal ob es das geröstete Erdnussmehl, das frische Zitronengras oder die taiwanesische Fischsauce sein soll. Ein Ort der internationalen Küche, der Community und des Kochens, denn auch Kochkurse finden hier regelmäßig statt. Greshma Maria Pallikunnel, Administratorin und Eventmanagerin des Supermarktes, zeigt uns die verschiedenen Arten und Nationalitäten der Lebensmittel im Geschäft, erklärt uns die Logistik eines internationalen Supermarkts und erzählt uns die Geschichte des Prosi und seiner vielen Initiativen, bevor wir uns die Kochschürzen umbinden und Köchin Pammi Kaur in die Küche folgen.

Im internationalen Supermarkt Prosi
Beim Prosi, Foto: Namasté Wien

Vom Wagenrattern zu Sitarklängen

Satt und zufrieden klettern wir nach dem gemeinsamen Mittagessen in eine Rikscha – eine mit Elektrounterstützung wohlgemerkt – und lassen uns den Wind durch die Haare fahren. Vorbei zieht unsere kleine Rikschakolonne an typischen Wiener Sehenswürdigkeiten wie Parlament, Rathaus, Votivkirche und Universität und verbindet das Neue, die leicht schaukelnde Fahrt einer Rikscha, mit dem Bekannten.

Im zweiten Bezirk wartet Alokesh Chandra, Präsident der Alankara Indischen Klassischen Musikgesellschaft, auf uns. Er wird uns die Kultur der klassischen indischen Musik näherbringen – das gleichberechtigte Widerspiel von Rhythmus und Melodie, den Dialog zwischen den Spielenden, zwischen klaren Regeln und freier Improvisation – denn in der nordindischen klassischen Musik werden bis zu 90 Prozent eines Konzertes frei improvisiert. Wie Musik so ist, ist auch die indische Musik eine universelle Sprache, die von allen verstanden werden kann.

Auf einem orientalischen Teppich sitztbarfuß und im offenen Schneidersitz ein Musiker und spielt auf der Sitar, einer Langhalslaute.
Alokesh Chandra beim Sitarspiel, Foto: Privat

So lauschen wir der Tabla, dem Trommelpaar mit dem typischen kreisrunden Auge, und lassen uns von den Klängen der Sitar, einer Langhalslaute, in eine gänzlich andere Welt tragen. Und sind erstaunt, wenn wir abends wieder auf eine gewöhnliche Wiener Straße im zweiten Gemeindebezirk heraustreten.

Autorin: Michaela R. Reisinger

Bitte unterstütze unsere nachhaltige Bildungsarbeit mit einem Abo:

Abo bestellen

Folge lebensart-reisen auf instagram>>>

zuletzt geändert am 19.04.2022

teilen twittern Instagram