Bergsee, Bergpanorame und einige Wanderer
Foto: Krisper-Ullyett

Fastentrekking

Im Hochgebirge eine Woche lang von Hütte zu Hütte wandern und dabei keine feste Nahrung zu sich nehmen: Lotte Krisper-Ullyett, die neue Obfrau der Gesellschaft für Gesundheitsförderung (ggf), hat sich voll und ganz der Königsdisziplin des Fastenwanderns verschrieben.

Ausgiebige Bewegung ist während des Fastens grundsätzlich gut. Wenn die Muskulatur beansprucht wird, werden weniger Muskeln abgebaut. Unter „Fastenwandern“ versteht man laut Krisper-Ullyett eine Fastenwoche, in der zumindest vier Stunden täglich gewandert wird. Fastentrekking ist noch einmal eine ganz andere Geschichte. Da geht es nämlich eine Woche lang hinauf ins Gebirge. „Viele Stunden im alpinen Gelände wandern, eine Woche lang von Hütte zu Hütte, und dabei fasten, das macht derzeit sonst niemand. Früher gab‘s das mehr, von Deutschland ausgehend, aber auch in Österreich, initiiert von Dr. Walter Surböck", sagt Krisper-Ullyett.

„Viele glauben, dass das nicht gehen kann und dass das gefährlich sei“, so Krisper-Ullyett. „Ich habe vielfach gezeigt, dass es doch geht. Man ist ja beim Fasten nicht krank, ganz im Gegenteil. Man ist vielleicht in vielem langsamer, man muss auch in der Langsamkeit bleiben, aber die Sinnesschärfe ist da und man kann durchaus neun Stunden lang gehen - Schritt für Schritt, im Fastenschritt.“ Viele ihrer Wanderbegleiter*innen sehen das auch so und buchen gleich wieder einen Platz in einer Gruppe im nächsten Jahr.

Gruppe von 8 Personen auf einem Wanderweg. Ein Mann zeigt mit seinem Stock richtung Tal.
Fastengruppe unterwegs in den Bergen. Foto: Krisper-Ullyett

Konsequente Vorbereitung

Ganz wichtig für das Gelingen ist eine gute Vorbereitung. Jedes Fasten beginnt mit Entlastungstagen, an denen man sich leichter ernährt – mehr Gemüse, weniger Kaffee, keinen Alkohol, keine Süßigkeiten –, damit die Umstellung in den Fastenmodus besser gelingt. Die Vorbereitung auf eine Fastentrekkingwoche ist etwas strenger: Montag und Dienstag vegetarische Kost, Mittwoch und Donnerstag vegan und am Donnerstag oder Freitag Darmreinigung. Krisper-Ullyett: „Der Körper braucht einige Tage zum Umstellen, und wenn wir losgehen, dann fangen wir nicht auf der Goisererhütte mit der Darmentleerung an. Da müssen die Teilnehmer*innen schon im Fastenmodus sein, das heißt, der Körper hat bereits verstanden, dass von außen nichts kommt, und hat auf innere Ernährung umgestellt. Dabei verwandelt die Leber Fett zu Ketonkörpern, die das Gehirn als Zuckerersatz akzeptiert. Nicht nur akzeptiert, sondern sogar bevorzugt.“


Wenn der Körper ans Fett geht, sieht er auch, dass bei den meisten genug davon da ist. Daher ist man nach der Umstellung auch nicht hungrig. Interessant ist auch, dass beim Fasten insbesondere das viszerale Fett, das Bauchfett, abgebaut wird. Man nimmt genau da ab, wo man sonst nie abnimmt und wo man auch bei einer Diät schwer herankommt. Ab einer gewissen Intensität des Gehens sind auch die Reinigungsprozesse im Körper viel intensiver. Walter Surböck, Arzt und Mitgründer der Gesellschaft für Gesundheitsförderung, spricht von einer vier- bis fünffachen Effektivität. Gefastet wird übrigens nach der Buchinger-Methode. Das heißt, dass man keine feste Nahrung zu sich nimmt, sondern nur Tee, Wasser, Gemüse-Obst-Saft und am Abend eine Fastenbrühe. Da immer mehr danach fragen, organisiert die ggf einmal jährlich einen Fastentrek, in dem auch Basenfasten möglich ist – eine „Weltneuheit“.

Jetzt geht's los!

Treffpunkt und Ausgangspunkt für eine Fastentrekkingwoche mit Lotte Krisper-Ullyett ist ist der Bahnhof in Bad Aussee. Krisper-Ullyett liebt das Salzkammergut und wandert mit ihren Gruppen übers Tote Gebirge, Richtung Gosausee, Offensee, Gleinkersee und rund um den Dachstein. Dazu empfiehlt sie den Teilnehmer*innen – meist sind es zehn Personen pro Tour -, mit dem Zug anzureisen. Zum einen ist der Endpunkt der Tour meist woanders, zum anderen will sie damit den ökologischen Fußabdruck in den Alpen möglichst klein halten. Die nächste Herausforderung: Der Rucksack darf maximal acht Kilo wiegen. Krisper-Ullyett: „Die Leute bekommen von mir eine Liste, was sie nicht brauchen werden – Bücher, Hausschlapfen, zwei Paar Schuhe, Schlüsselbund, Toiletttasche – nur Zahnbürste und Waschlappen. Vieles kann in der Gruppe auch geteilt werden, wie etwa Zahnpaste, Sonnencreme oder das Ladegerät fürs Handy. Denn ab einem gewissen Gewicht wird es wirklich unlustig.“

Während der Woche starten die Teilnehmer*innen den Tag mit Wasser, wenn man will mit einem Schuss Zitrone, oder mit Kräutertees oder einem Bittertee zur Leberreinigung. Die Leber hat ja in den kommenden Tagen am meisten zu tun und sollte dabei so gut es geht unterstützt werden. Mindestens drei Liter sollte man jeden Tag trinken, am besten man beginnt damit gleich ausreichend am Morgen. Highlight des Tages ist ein Achterl Gemüse-Obst-Saft am frühen Nachmittag oder der Saft vom Drittel einer Grapefruit.

Gruppe von 6 Frauen sitzt auf Felsen am Ufer des Grimmingbaches.
Rast am Grimmingbach. Foto: Krisper-Ullyett

Das Prinzip der Langsamkeit

Das größte Risiko beim Fastentrekking ist die Unterzuckerung. Falls notwendig, gibt es dann einen Löffel Honig. Darauf zu achten, dass es nicht so weit kommt, ist die wichtigste Aufgabe des Fastentrekking-Guides. Gefährdet sind jene, die regelmäßig in die Berge gehen, ein bestimmtes Tempo gewohnt sind und dieses auch beim Fasten beibehalten möchten. Wobei wir bei einem weiteren wesentlichen Prinzip des Fastentrekkings sind: Bei der Langsamkeit. Krisper-Ullyett: „Wer langsam geht, bleibt in der Fettverbrennung. Wer zu schnell geht, kommt in die Zuckerverbrennung. Daher lautet das Motto: Je langsamer, desto besser. Wer es schafft, sein Tempo zu reduzieren, ist 'Kaiser*in'. Da gilt es auf den Atem zu hören, kleinere Schritte zu machen, in Serpentinen zu gehen und in der aeroben, extensiven Phase zu bleiben, in der man nicht heftig atmet, in der man keinen Puls im Hals spürt und wo man beim Gehen problemlos reden und sogar singen könnte.“

Diese Langsamkeit ist für viele nicht einfach. Sie fühlen sich gebremst und nach hinten gezogen. Aber mit der Zeit gewöhnen sich alle daran. Krisper-Ullyett muss als Fastentrekking-Führerin auch vom Ende her führen und schauen, dass alle in ihrem langsamsten Tempo ans Ziel kommen. „Oft schämen sich die Leute, weil sie die Gruppe nicht aufhalten möchten. Aber irgendjemand ist immer der oder die Langsamste. Ich werte diese Rolle dann auf und sage: Du schützt alle anderen und deshalb musst du in deiner Gelassenheit bleiben.“

Interessant ist auch, dass die Teilnehmer*innen im Laufe der Woche immer früher aufwachen. Man hat in der Nacht nichts zu verdauen, ist wach und will aufstehen. Da lockt auch der Sonnenaufgang raus aus den Federn. Und wenn man so früh losmarschiert, dann schafft man im Laufe eines Tages trotz der Langsamkeit ziemlich große Distanzen - oder man gönnt sich ein Mittagsschläfchen.

Bewusste Stille

„Viele Phasen gehen wir auch ganz bewusst in Stille“, berichtet Krisper-Ullyett. „Das ist eine großartige Erfahrung und für manche schwierig umzusetzen. Dabei wird das Erleben der Natur viel bewusster. Du bist in dieser Phase völlig auf die Gegenwart geworfen. Wenn du mit jemandem redest, geht es meistens um die Vergangenheit oder die Zukunft, du erzählst, was passiert ist oder was du vorhast. Fasten zieht immer auch Leute in einer herausfordernden Lebenssituation an, solche, die etwas in ihrem Leben verändern wollen. Für sie sind diese Zeiten mit sich selbst inmitten der Natur meist sehr hilfreich.“

Frai sitzt auf einem Baumstumpf am Ufer des Gosausees
Zeit und Raum für Stille beim hinteren Gosausee. Foto: Krisper-Ullyett

Fastenhütten

Am späten Nachmittag kommt die Gruppe dann bei einer Hütte an. Dort gibt es um 19 Uhr die Fastensuppe. Die Hüttenwirte bekommen dafür von Krisper-Ullyett alle das gleiche Rezept und es ist interessant, wie unterschiedlich die Suppe von Hütte zu Hütte schmeckt. „Ich habe jetzt schon 21 geführte Fastenwanderwochen hinter mir und mittlerweile haben sich die Hüttenwirte auf uns als Fastengruppe eingestellt. Die meisten finden das auch ganz akzeptabel, auch wenn sie sich oft über uns lustig machen. Im Laufe der Zeit habe ich etwa 20 Unterkünfte zu Fastenhütten entwickelt. Sie wissen mittlerweile auch, dass wir uns damit kein Geld sparen wollen.“

Für Hütten, die mit Materialseilbahn beliefert werden, ist die Herstellung einer Gemüsebrühe mit frischem Gemüse möglich. Dafür zahlt Krisper-Ullyett auch wie für ein normales Hüttenessen. „Hubschrauberhütten“, die nur einmal pro Saison beliefert werden, können die Gruppen nicht mit frisch gemachter Gemüsebrühe oder Zitronen versorgen. Dort gibt es Fastenbrühe aus Pulver, die mit Kräutern aufbessert wird, die am Wegesrand eingesammelt wurden. „Es gibt aber auch Hüttenwirte, die abgesagt haben. Ihr Argument: 'Wenn Sie unsere regionalen Schmankerln nicht essen wollen, dann sehe ich keinen Grund, warum Sie hier übernachten sollten.'“

Gruppe von 7 Personen sitzt an einem Tisch vor der Goiserer-Hütte.
Fastensuppe auf der Goiserer-Hütte. Foto: Krisper-Ullyett

Am Abend wird dann nochmals der Tag reflektiert, dann wird für alle ein Fastenprotokoll gemacht, um herauszufinden, wie es den Teilnehmer*innen geht und wo sie aktuell gerade stehen. Dabei wird auch die Darmbewegung kontrolliert. Wenn der Darm vor lauter Nichts seine Aktivität einstellt, wird überlegt, wie man nachhelfen kann.

Fastenbrechen

Am letzten Tag ist Fastenbrechen angesagt. Alle bekommen einen Apfel. „Das Ritual rundherum ist ein bisschen wie Weihnachten“, erzählt Krisper-Ullyett. „Jede*r bringt etwas von der Wanderung mit, die Fundstücke werden im Kreis aufgelegt und jede*r sagt dann auch noch etwas dazu. Was nimmt man aus der Fastenwoche mit? Welche neue Gewohnheit möchte man in den Alltag integrieren? Das kann eine Morgenroutine sein, Wasser trinken, entspannen, Bewegung oder eine Veränderung in der Ernährung. Je kleiner der Schritt, umso realistischer die Umsetzung. Der Apfel wird einmal mit allen Sinnen erfasst, bevor mit viel Ruhe und Zeit genossen wird, dass man jetzt endlich wieder etwas zwischen die Zähne bekommt, dass man etwas kauen kann. Ein würdevoller Abschluss einer intensiven Woche.“

Gruppe von ca. 20 Personen sitzt im Kreis rund um kleine Mitbringsel, die sie im Laufe der Woche gesammelt haben.
Das Fastenbrechen wird im Rahmen eines berührenden Rituals zelebriert. Foto: Krisper-Ullyett

Danach sollte man sich genauso, wie man sich vorbereitet hat, wieder ausklinken. Krisper-Ullyett empfiehlt für die Aufbautage zwei Tage vegane und zwei Tage vegetarische Ernährung. Noch besser: Man ziehe beides so lange hinaus, wie man kann. Je länger man es schafft, möglichst wenig tierisches Eiweiß zu sich zu nehmen, desto besser.

Fastentrekking ist nichts für Leute, die zum ersten Mal fasten. Für die empfiehlt es sich, zunächst einmal eine stationäre Fastenwanderwoche nach Buchinger mitzumachen. Die ggf geht ein Mal im Jahr als Vereinsaktivität mit ihren Mitgliedern einen Fastentrek. Gäste sind ausdrücklich willkommen.

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zuletzt geändert am 09.09.2022

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