Fast unwirklich ist die Pracht der Farben auf diesem Foto, wir wandern hoch oben auf steinigem Weg, gesäumt von Büscheln und Kräutern in den unterschiedlichsten Grün- und Brauntönen. Tief unten liegt eine weitere Insel im azurblauen Meer, der Übergang zum
Auf Höhenwanderung, Foto: Maria Kapeller

Kykladen - karge Inseln voller Schätze

Karger Boden, üppige Ernte: die Inselwelt der Kykladen bringt eine erstaunliche Fülle an Kultur, Genuss und frischen Ideen hervor. Ein Besuch auf den weniger bekannten Inseln Sifnos und Amorgos.

Wenn die Fähre aus Athen nach knapp drei Stunden in den Hafen von Kamares einläuft, eröffnet sich dem Auge ein wahr gewordenes Griechenland-Klischee: weiß getünchte, würfelförmige Häuschen, ein großzügiger Strand, dahinter türmen sich karge Hügel und Gipfel auf; braun gebrannte Erde, Gesteinsbrocken, Büsche und Sträucher mit wilden Kräutern. Ankunft auf der Kykladeninsel Sifnos. Ein Zufluchtsort für alle, die es im Urlaub gerne gemächlich angehen.

Etwa beim Wandern auf einem der Inselpfade. Die „Sifnos Trails“ sind ein Wegenetz von mehr als hundert Kilometern. Sie folgen den historischen Inselpfaden und führen entlang uralter Steinmauern über enge, steinige Küstenpfade hinab zu einladenden Stränden und hinauf zu einsam gelegenen Kirchen, etwa zur Agios Filippos (Agios Nikolaos), die hoch oben über der ägäischen See thront.

Im Bildvordergrund leuchtend rote Blüten, der Blick fällt hinunter auf ein Dorf aus strahlend weißen Häusern an der hochgelegenen Inselküste. Dahinter der nebelige Dunst über dem Meer, am Horizont sind weitere Inseln zu erahnen.
Der Ort Kastro auf Sifnos, Foto: Maria Kapeller

Frisches Gemüse von der Farm

Hungrige Wandersleute finden auf dem kargen Eiland eine Fülle an Möglichkeiten, die Energiereserven wieder aufzufüllen. Einfache Tavernen mit Gastgärten, umhüllt von duftenden Jasminblüten oder Oleander, und Strandlokale servieren inseltypische Kost wie den Lammeintopf „Mastelo“ mit Dill, Rosmarin und Wein oder frischen Kapernsalat. Traditionell wird mit feuerfestem Tongeschirr gekocht, das aus der speziellen Insel-Tonerde, dem Talkschiefer, hergestellt wird. Noch heute leben ganze Familien von diesem Handwerk, die man teilweise in ihren Werkstätten besuchen kann.

Ein Küchenklassiker im Tongefäß ist die Kichererbsensuppe „Revithada“, die bis heute traditionell sonntags im Familienkreis gegessen wird. Im Restaurant „Nus“ in der Bucht von Platis Gialos wird das Gericht gerne mit grünen Oliven und Zitrone serviert. „Nus“ steht in der antiken griechischen Philosophie für Geist oder Bewusstsein. „Wir schenken allen unseren Gerichten die gleiche Aufmerksamkeit“, erklärt Küchenchef Alexandros Narlos. Fleisch kommt nur aus Freilandhaltung oder kontrolliert biologischem Anbau, das Brot wird selbst aus griechischem Getreide gebacken, das Eis ist hausgemacht und das gesamte Olivenöl stammt von den eigenen Olivenbäumen. „Unsere Gäste sollen auch in modernen Küchenkreationen dieselben Inselaromen schmecken, wie die Einheimischen es seit jeher tun.“ Gekocht wird unter anderem mit Roten Rüben, Melanzani, Kartoffeln, Zucchini, Kräutern und Eiern von der eigenen Farm Narlis, die Vater George Narlis nach ökologischen Prinzipien betreibt. „Allein das schafft eine Speisekarte mit großer Vielfalt und intensivem Geschmack“, ist der Sohn überzeugt

Auf einem Felsen steht eine blaue Kunststoffkiste mit frischem Gemüse. Daneben liegen Hälften einer Wassermelone.
Foto: Spiros Kokkonis

Traditionelle Anbauweise ohne Bewässerung

Auf dem Hof wird im Einklang mit der Natur gearbeitet – genau so, wie es die Einheimischen traditionell seit Hunderten von Jahren tun: Ein Teil des Gemüses baut Georges ganz ohne Bewässerung an, darunter Tomaten, Zucchini, Okrabohnen oder Wassermelone. Früher war diese effiziente und günstige Anbauweise sehr verbreitet, es gab sogar im Sommer Niederschlag. „In Zeiten des Klimawandels regnet es extrem wenig und wir haben sechs bis acht Monate Dürre“, sagt George. Die wasserfreie Kultivierung funktioniert trotzdem. Die nötige Feuchtigkeit kommt heute weniger vom Regen, sondern wird von den Wurzeln aus dem Boden gesaugt. Abends nimmt er zusätzlich Nässe aus der Atmosphäre auf. Die alten Trockensteinmauern halten die Erde zusammen. „Durch den wasserfreien Anbau haben wir etwa die Hälfte weniger Ertrag, aber das Gemüse ist vier- bis fünfmal geschmacksintensiver“, zeigt sich George begeistert. Interessierte können sich bei Führungen durch die Gemüsefelder selbst ein Bild machen, danach wird gemeinsam gekocht.

Auch die auf den Kykladeninseln verbreitete Favabohne kultiviert der Landwirt. Sie diente Menschen wie Tieren lange Zeit als Überlebensgrundlage. „Früher bereitete man daraus im Sommer ein kaltes Mittagessen mit Salat zu, im Winter eine wärmende Suppe mit Brot und Oliven“, erinnert sich George. Noch heute ist „Fava“ auf fast jeder Speisekarte zu finden. Serviert wird das Gericht meist als eine Art Brei oder Aufstrich mit Weißbrot.

Ein Brei aus Favabohnen, angerichtet mit roten Zwiebelringen und garniert mit getrockneten Tomaten auf einem weißen Teller. Das Tischset und die Stühle sind strahlend blau. Weißbrot in einem mit weißem Tuch ausgelegten Drahtkörbchen, dazu ein Glas Wasser.
Favagericht auf Amorgos, Foto: Maria Kapeller

Amorgos, Insel im Abseits

So auch auf der Insel Amorgos, etwa in den Tavernen und Cafés des Bergdorfs Lagada, wo auch „Patatáto“, Ziegenfleisch mit Kartoffeln, Kräutern und Tomatensauce, beliebt ist. Die abgelegene, am östlichsten gelegene Kykladeninsel wirkt, als hätten sich die Alpen durch die See emporgeschoben: Felsige Steilküsten mit schmalen Wanderwegen, die Dörfer mit ihren weiß getünchten Häusern und blauen Fensterläden erinnern an verheißungsvolle Lebensadern inmitten der steinigen Hochflächen. Filmfans kennen die Insel vom französischen 1980er-Jahre-Film „Im Rausch der Tiefe“ von Luc Besson. Er machte das Kloster Chozoviotissa bekannt, das wie ein Kunstwerk auf einem Felsen über dem Meer klebt. Ein zwölf Kilometer langer Wanderweg führt vom Küstenort Aegiali über die Insel-Hochebene zum Kloster und weiter in den idyllischen Hauptort Chora mit seinen pittoresken Gassen, schicken Cafés und kleinen Boutiquen.

Ein Weg am kargen Ufer der griechischen Insel, Wildkräuter mit zarten lila Blüten wachsen in Büscheln am Wegesrand. Das Meerwasser leuchtet blau-türkis im Licht der Sonne, am Horizont erkennt man eine weitere Insel.
Amorgos: Uferweg mit Wildkräutern, Foto: Maria Kapeller

Die Heimatinsel bewahren

Auf Amorgos treffen alte Traditionen und neue Ideen aufeinander. Was die klischeehafte Botschaft eines Reisekatalogs sein könnte, ist hier Realität: Junge Einheimische haben Athen den Rücken gekehrt und sind zurück auf ihre Heimatinsel gezogen – oder nie weg gewesen. Ihnen liegt am Herzen, dass Amorgos kein gekünsteltes Hipster-Paradies wird. Sie wollen im Einklang mit der Natur leben und den Tourismus so lenken, dass er verträglich bleibt. Sie eröffnen Cafés, organisieren Kulturveranstaltungen und machen sich Gedanken über die Wasserbeschaffung, das Müllmanagement oder die medizinische Versorgung. Ein paar Engagierte haben hinter dem Hafen von Katapola einen inseleigenen Kräutergarten angelegt. Auf der Insel wachsen immerhin mehr als 500 Pflanzen, eine gute Handvoll davon sind endemisch. Im „Amorgos Botanical Park“ kann man sich die Kräuter anschauen und von Hand gemachte Produkte wie zum Beispiel Kräutertees oder Öle mit nach Hause nehmen. Mit so einem Stückchen Insel-Reichtum im Gepäck fällt das Heimkehren bestimmt ein wenig leichter.

Autorin: Maria Kapeller

ANREISE:

Meist beginnt eine Reise auf die Kykladen mit einem Flug nach Athen. Alternative: Mit dem Bus von Wien nach Sofia (14 Stunden; www.airkona.com), in Sofia übernachten und mit dem Bus weiter nach Athen (12 Stunden; www.tourist-service.com). Nach ein paar Tagen in Athen vom Hafen Piräus die Fähre nach Sifnos nehmen (knapp 3 Stunden; www.ferryhopper.com). Reine Fahrtzeit gesamt: 29 Stunden.

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zuletzt geändert am 06.01.2024

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