Kulinarisches aus Roseggers Waldheimat
Jürgen Schmücking reist ins Joglland und entdeckt Köstliches in den Wäldern der Waldheimat
Als Kind war Rosegger für mich eine ambivalente Figur. Das habe ich damals natürlich nicht in diesen Worten gedacht, aber komisch war es schon. Ich war ein Bücherfreak, und Karl May war mein Held. Ich mochte übrigens die Bücher des Orient-Zyklus viel lieber als die Winnetou-Saga. Egal, jedenfalls musste (musste!) ich „Durchs wilde Kurdistan“ unterbrechen und mit Rosegger weitermachen. „Als ich noch der Waldbauernbub war“. Weil der Opa sich das eingebildet hat. Ich fadisierte mich durch den Schmöker und hatte eine Stinkwut. Auf Rosegger. Und auf den Opa. Der Zorn auf den Großvater verflog ganz schnell. Der Grant auf Rosegger blieb.
Irgendwie scheint es, als hätte sich seit Rosegger’s Zeiten nicht viel geändert im Joglland und der (seiner) Waldheimat. Egal, aus welcher Richtung man sich der Region nähert, sobald man das Gefühl hat, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, ist man da. Aber dieses grüne Nichts hat enorme Kraft. Der Urlaub in der Region Joglland/Waldheimat teilt sich in zwei Phasen. Unmittelbar nach der Ankunft ultimative Entschleunigung. Vollbremsung. Der Alltag bleibt alleine deshalb schon draußen, weil drinnen (im Wald, also überall) kaum Handyempfang ist. Dann beginnt die zweite Phase. Kraft tanken. Das kann man auf schier endlosen Wanderwegen oder an mystischen Kraftplätzen. Oder in einem der ‚Kraftspenderdörfer’. In St. Kathrein am Hauenstein könnte man sich beispielsweise dem Dichter Rosegger wieder annähern. Das Dorf ist quasi Rosegger-Dorf. Ich gebe zu, in der Kirche zu sitzen, in der auch Rosegger saß und sich in seinen Erzählungen zu verlieren, hat was. Ich bin nicht mehr ganz so grantig und habe mir sogar eine frühe Ausgabe seiner „Waldheimat“ zugelegt.
Saures aus der Grube
Woran das liegt? Schwierig zu sagen. Es könnte der Lebensfreude ausstrahlende Auftritt der beiden ebenso sein, wie der rustikale und doch zarte Duft der Grubenkraut-Rezepte, die bei solchen Anlässen zubereitet werden. Wahrscheinlich ist es etwas von beidem.
Was hat es also mit der Grube und dem Kraut auf sich und was ist das Besondere daran? Ein wesentlicher Punkt für den Einstieg ist, dass Grubenkraut keine bestimmte Krautsorte ist, sondern vielmehr ein (sehr) altes Konservierungsverfahren für Krautköpfe benennt. In der Region der Fischbacher Alpen und dem umliegenden Wechsel wurde das am Krautacker gepflanzte und geerntete Weißkraut in Krautgruben einer Milchsäurefermentation unterzogen und damit haltbar gemacht. Und besser.
Froihof Grubenkraut, erhältlich ab Hof in 8654 Fischbach 82, am Kutschkermarkt in Wien und im Stadtbauernladen Graz. www.grubenkraut.at.
Saures vom Dornenbusch
Geschmacklich und auch vom Gesundheitsaspekt her betrachtet, ist der Sanddorn eine echte Knallerfrucht. Der kulinarische Wert liegt vor allem in seiner, hier bei den Joglland-Beeren besonders stark ausgeprägten Steinobstnoten und der knackigen Säure, die jedem Dessert so einen richtigen Gaumenkick gibt. Vitamin C in beachtlicher Konzentration und einige andere Inhaltsstoffe mit wohlbefindlichkeitsfördernder Wirkung unterstreichen den gesundheitlichen Wert der Pflanze. Kostbar (im doppelten Wortsinn) sind Tees von Sanddornfrucht oder Sanddornblatt sowie einige sehr exklusive Sanddorn-Öle aus Fruchtfleisch oder Kernen. Und ja, die Sanddorngärten von Sandicca, so heißt das Unternehmen, das Tanja Kroisleithner gegründet hat, um sich voll ganz der Kultivierung des dornigen Strauchs zu widmen, können besucht werden. Besonders schön sind sie kurz vor der Ernte, wenn ihr strahlendes Orange, dem sonst nichts als grünem Joglland einen eleganten Farbtupfer verleiht.
Sandicca, Sommersgut 55, 8254 Wenigzell, onlineshop auf www.sandicca.com.
Einkehrtipp: Buchtelbar
Ach ja, die Auflösung des Titels bin ich noch schuldig: „Grubenkraut, dessen Erinnerung noch heute imstande ist, mir in Zähnen und Gaumen begehrliche Gelüste zu wecken.“ ist ein Rosegger-Zitat. Man kann seine Texte und seinen Stil mögen oder nicht. Auf jeden Fall war er der Region ebenso verbunden wie die Froihof-Bauern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, einen wichtigen Teil ihrer kulinarischen Kultur zu schützen und zu fördern.
Gasthaus Buchtelbar, Jolande und Ernst Sedlak, 8254 Wenigzell, Pittermann 99, www.buchtelbar.at
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zuletzt geändert am 18.08.2020