Ein Mann in Wanderhose sitzt im Heidekraut und blickt hinunter auf einen See inmitten zart bewaldeter Berge, es ist sonnig und leicht bewölkt.
Vitus Winkler auf Kräuterwanderung. Foto: Mario Stockhausen

Selchkammerflimmern

Salzburgs Landschaften sind von rauer Schönheit und Eleganz. Versucht man, diese Rauheit geschmacklich auf einen Punkt zu bringen, landen wir schnell bei den rauchigen Aromen der Selchkammern. Egal, ob bei den Pinzgauer Schotten, dem Lungauer Speck oder den launigen Forellen der Salzkammergutseen.

Wenn von „rauchigen Schotten“ die Rede ist, denken die meisten sofort an schottischen Whisky. An die rauchig-torfigen Single Malts der Hebriden, um genau zu sein. Wer allerdings schon im Salzburger Pinzgau unterwegs war weiß, dass damit auch noch etwas ganz anderes gemeint sein kann. Kennengerlernt habe ich die Pinzgauer Schotten im Schloss Kammer in Maishofen und viel später noch einmal einen Gau weiter, in Vitus Winklers grandiosem Restaurant Kräuterreich. Zwei uneingeschränkte Tipps und Empfehlungen, wenn es um den Geschmack Salzburgs geht.

Beginnen wir mit dem Schloss. Betritt man dort das „Zirmstüberl“, hat man das Gefühl, in eine längst vergangene Welt einzutauchen. „Wir lassen uns nichts aufdrängen“, sagt denn auch die Chefin und sie weiß, wovon sie spricht. Familie Neumayer ist schließlich schon seit über 200 Jahren hier ansässig und führt den historischen Landsitz am Waldrand mit Sorgfalt und Umsicht. Umgeben von Feldern und Wiesen ist er eine einzige Idylle. Die Räumlichkeiten wurden Schritt für Schritt renoviert, besonders sehenswert ist der gotische Pferdestall. Die gemütliche Gaststube ist ebenso wie der große Gastgarten mit Laube ein gänzlich unprätentiöser Platz der Entschleunigung. Ein Blick in den angrenzenden Gemüsegarten gibt Gewissheit: Hier wird mit persönlichem Einsatz gearbeitet. Was die eigene Bio-Landwirtschaft – dazu gehören auch Rind und Schwein – nicht liefert, wird von einem Biobauern in Saalfelden geholt, schließlich will man wissen, wo die Zutaten herkommen. Schottnocken mit gerösteten Zwiebeln und Schnittlauch, die knusprig gerösteten Nidei, also Kartoffelteigwürfel mit Sauerkraut, gibt es ebenso wie das Pinzgauer Muas, einen Mehlschmarrn mit Preiselbeeren. Alles schmeckt so richtig gut hausgemacht.

Die Schottnocken aber sind eine Klasse für sich. Auch bei Vitus Winkler in St. Veit im Pongau. Das „Kräuterreich“, die Stätte seines Schaffens, ist ein von Gault & Millau mit vier Hauben ausgezeichnetes Restaurant, dessen Küche mittlerweile fest in der kulinarischen DNA Salzburgs verankert ist. Das Spannende ist seine Herangehensweise an das Thema „Herkunft und Terroir“ (franz. Charakter und Eigenheiten eines Gebiets und seiner Erzeugnisse). Winkler fasst seine Gerichte nach ihrer Herkunft zusammen und meint damit mehr als nur die Region. Er spricht von „Fluss und See“, von „Wald und Wiese“ oder von „auf der Alm“. Gerichte, die zur letztgenannten Gruppe gehören, kommen aus einer Höhe zwischen 1.000 und 3.454 Metern und auch die entsprechenden Zubereitungsarten und haben dort ihren Ursprung. So auch die Schottnocken. Vitus Winkler serviert sie mit Labkraut, einer an Wegrändern wachsende Staude, die zwar gut, aber mild ist. Weil die Schottnocken kräftig genug sind, harmoniert das Labkraut perfekt.

Nockerl mit geriebenem Käse, knusprigen Zwiebelringen und leuchtgelben Blüten garniert, in einem schwarzen gusseisernen Pfandl auf einem Lärchenholztisch.
Schottennockerl. Foto: Mario Stockhausen

Jetzt ist nur noch die Frage offen, was Pinzgauer Schotten überhaupt sind: Käsekegel, die ihren Ursprung in der einfachen Küche der ländlichen Bevölkerung haben. Für Italien beschreibt der Gastrosoph und Historiker Peter Peter diese Kost wertschätzend als „cucina povera“. Ursprünglich wurden die Pinzgauer Schotten aus der Molke gewonnen, die beim Käsen als Abfallprodukt entsteht. Oben auf der Alm wurde die Molke im Sommer an die Almschweine verfüttert – oder mit Buttermilch aufgekocht. Mit einem Säuerungsmittel wurde dann das Eiweiß zum Ausflocken gebracht und die brüchige Masse zu Kegeln geformt. Heute werden die Schotten aus frischer Milch und Essig hergestellt. Die handgedrückten Kegel kommen dann für zehn Tage in den Räucherofen. Diese zehn Tage geben ihnen den unvergleichlich rauchigen Geschmack und eine ebenso einzigartige goldgelbe Farbe. Das Räuchern ist übrigens auch der – recht pragmatische – Grund für die Kegelform. Früher wurden die Schotten nicht im Räucherofen, sondern am offenen Feuer geräuchert. Kugeln sind zwar einfacher zu formen, wären aber mit Sicherheit ins Feuer gerollt. „Die Kegel kugeln nicht“, lacht Monika Voglreiter vom Oberkammerngut bei Walchen. Sie ist eine der letzten Bäuerinnen, die den Reibkäse noch käsen. Ihre Schotten liegen geschmacklich zwischen hochreifem Parmesan und Räucherspeck – und in den Regalen einiger Feinkostläden rund um Zell am See. Wer ein paar der herrlichen Kegel ergattert, holt sich damit den Geschmack des Pinzgaus ins Haus und kann ihn mit einer einfachen Käsereibe über Salate, Nudeln, Nocken oder Knödel hobeln.

Vom Räuchern

Wie das Pökeln ist auch das Räuchern eine der ältesten und elementarsten Zubereitungstechniken. Beides kann bis zu den frühen Hochkulturen in Ägypten oder Mesopotamien zurückverfolgt werden. Und beide, vor allem aber das Räuchern, sind untrennbar mit der kulinarischen Geschichte Salzburgs verbunden. Im Kern ging es darum, Lebensmittel zu konservieren, um auch in der kalten und kargen Zeit überleben zu können. Kühlschränke mit Biofresh-Lade fürs Gemüse und Eiswürfelspender waren noch nicht erfunden, also musste dem Fleisch, dem Fisch oder auch dem Käse Wasser entzogen werden. Lebensmittel kann man dafür entweder in Salz einlegen oder räuchern. Beides führt dazu, dass sie trocknen und damit deutlich länger haltbar sind.

Glänzende geräucherte Bratwürste hängen in der Räucherkammer.
Bauernbratwürste. Foto: Greilhof Bioprodukte

Wer in Sachen Speck die Tradition des Räucherns noch aufrechterhält und dabei außerordentlich gute Produkte herstellt, ist der Greilhof der Familie Wind bei Tamsweg. Ein Lungauer Bio-Betrieb auf knapp über 1.000 Metern Seehöhe und ein echter Pionier in Sachen Direktvermarktung. Vor allem ist es einer jener selten gewordenen Betriebe, bei dem der gesamte Prozess am eigenen Hof stattfindet: die Aufzucht der Tiere, ihre Schlachtung, die Zerlegung und Veredelung. Und schließlich auch die Vermarktung. Der geräucherte Bio-Speck vom Greilhof hat es in Wieselburg im vergangenen Jahr sogar aufs Stockerl geschafft: Bronze für den geräucherten Karree-Speck, Gold für den Bauchspeck. Zu Recht. Der geräucherte Bauchspeck ist eine Zierde seiner Art. Am Greilhof gibt es übrigens auch – eine Rarität sondergleichen – den von der „Slow Food – Arche des Geschmacks“ in den kulinarischen Adelsstand erhobenen Lungauer Rahmkoch. Die Süßspeise hat zwar nichts mit Rauch und Speck zu tun, ist aber untrennbar mit dem Lungau verbunden und rechtfertigt jeden Abstecher in die Region.

Last but not least: der Fisch. Dafür verlassen wir den Pinz-, den Pong- und den Lungau und begeben uns in den Norden des Landes. Zu den Seen des Salzkammerguts. Auf dem Weg dorthin kommen wir bei Walter Grüll in Grödig vorbei. Der Salzburger Fischzampano ist bekannt für seine extravagante Vielfalt. Kaviar vom Stör, Laxfurter, Austernvodka. Und dann hat Grüll natürlich auch geräuchertem Saibling und geräucherter Forelle im Programm, und die gehören zu den besten des Landes. Nur zartes Raucharoma, butterweicher Biss. Grüll holt behutsam das Beste aus den Fischen des Salzkammerguts und gibt ihnen eine sehr persönliche Note. Wer Räucherfischgenuss gerne mit einem Erlebnis am Seeufer verbindet, findet dieses Erlebnis (inklusive perfekt geräucherter Forelle) in der Schloss Fischerei am Fuschlsee.

In einer Räucherkammer hängen auf einem Eisengestell zahlreiche lachs- und goldfarben schillernde Fische
Räucherfische aus der Schlossfischerei Fuschl. Foto: SalzburgerLand Tourismus

Salzburgs Landschaften sind von rauer Schönheit und Eleganz. Versucht man, diese Rauheit geschmacklich auf einen Punkt zu bringen, landen wir schnell bei den rauchigen Aromen der Selchkammern. Egal, ob bei den Pinzgauer Schotten, dem Lungauer Speck oder den launigen Forellen der Salzkammergutseen.

Autor: Jürgen Schmücking

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zuletzt geändert am 07.10.2022

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