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Foto: Jennifer Griffin, unsplash

Zimt, Kurkuma und Kreuzkümmel

Marokko ist farbenfroh und trist, lebendig und still, freundlich und abweisend. Ein kulinarisch geprägter Streifzug von der windumtosten Küste über das überlaufene Marrakesch bis ins fruchtbare Draa-Tal.

Der Orangenhändler am Markt von Essaouira ist ein stiller Anker in der wuseligen Küstenstadt. Tag für Tag steht er hinter einem mobilen Tresen an der Saftpresse und quetscht duftende Orangen aus. Ein scheues Lächeln auf den Lippen, verlangt er stets denselben Preis. Bei ihm weiß man wenigstens, woran man ist. Das ist nicht immer so in Marokko. Wer individuell durch das nordafrikanische Land reist, ist hin- und hergerissen: Vor der einen Hausmauer leuchten bunte Teppichmuster, vor der anderen hält ein Bettler die Hand auf. In einem Moment beeindrucken die filigranen Fliesen der Brunnen, Paläste und Koranschulen, in einem anderen fällt der Blick auf bröckelnde Fassaden und lose Stromkabel. Heute begegnet man warmherzigen Einheimischen, morgen jenen, die nur darauf aus sind, schnell an etwas Geld zu kommen. Offene Gastfreundschaft und geschäftstüchtiger Smalltalk wechseln sich ab, oft innerhalb eines Gesprächs. Schneller als die Wahrnehmung mithalten kann, findet man sich in einem märchenhaften Innenhof, einer dunklen Seitengasse oder in einem Souvenir- oder Teppichladen wieder. Jetzt heißt es: freundlich ablehnen. Falls man tatsächlich zuschlagen möchte: geschickt verhandeln.

Ein bunter, umtriebiger Markt, blauer Himmel über einfachen Gebäuden mit flachen Dächern und Dachterrassen.
Foto: h-ekd-unsplash-bemauimjx04

Feilschen und flanieren

In der Medina, der von Mauern beschützten Altstadt von Essaouira und UNESCO-Weltkulturerbe, bieten sich zum Feilschen unzählige Möglichkeiten an. Etwa am Souk, dem Markt, wo sich Berge von Datteln, Oliven, Gewürzen und Rosenblüten türmen. Oder in den Verkaufsläden der traditionellen Werkstätten, wo das Holz des Sandarakbaumes zu kleinen Truhen, Bilderrahmen und Schüsselchen verarbeitet wird. Essaouira ist eine Flanierstadt, die Reisende stundenlang in entdeckerische Ekstase versetzt. Das Rauschen des Atlantiks und das Pfeifen des Windes orchestrieren sich zu einem melodischen Ohrwurm. Die Beine tragen einen von kleinen Kunstgalerien zu Läden, die regionale Arganöl-Produkte verkaufen, von windumtosten Terrassen-Cafés zu Bäckereien mit süßen Verführungen. Am Fischereihafen lohnt es sich, den Stadtturm zu erklimmen – die Aussicht auf das weiß getünchte Häusermeer, die am Wasser schaukelnden, blau angestrichenen Fischerboote und den von Möwen bevölkerten Himmel hat epische Züge.

Im Hintergrund eine mit Mauer befestigte Stadt aus strahlend weißen Häusern und Türmchen, die Meeresbrandung wirft sich auf die vorgelagerten dunklen Küstenfelsen. Der Himmel ist strahlend blau, Möwen kreisen über dem Hafen. Im Vordergrund, hinter einer H
Blick vom Stadtturm auf Essaouria, Foto: Maria Kapeller

Wenn die Atlantikbrise hungrig macht, isst man in Fischlokalen im Hafen. In der Medina servieren die meisten Lokale die Tajine, ein Gericht aus Gemüse und (wahlweise) Fleisch, das im gleichnamigen Schmorkochtopf aus gebranntem Lehm gegart wird. In den kleinen, familiengeführten Straßenlokalen köchelt das Essen stundenlang über offenem Holzkohlefeuer.

Kocherlebnis in Marrakesch

Es heißt, in touristisch geprägten Restaurants wird die Tajine eher im Schnellkochtopf zubereitet und erst danach auf dem traditionellen Geschirr angerichtet. Solche eher ernüchternden Geschmackserlebnisse macht man unter anderem in der Touristenhochburg Marrakesch, eine dreistündige Busfahrt von Essaouira entfernt. Hier spielt sich das Leben der Reisenden vor allem rund um den Platz der Gaukler Djemaa al-Fna, die imposante Koutoubia Moschee, den prunkvollen Bahia-Palast oder die üppigen Gärten mit klingenden Namen wie Majorelle oder Anima ab. Tagsüber wirken die belebten Märkte, Plätze und verzweigten Gassen einladend, als seien überall Träume aus 1001 Nacht zum Greifen nah. Sind die Läden erst einmal zu und die farbenfrohen Waren hineingeräumt, ist die Atmosphäre düsterer, abweisender.

In einer facettenreichen Stadt wie Marrakesch lohnt es sich, jemanden mit Ortskunde an seiner Seite zu haben. So jemanden wie Siham. Sie nimmt Reisende an die Hand, veranstaltet Henna-Abende und Kochkurse und führt sie unter anderem in die Kunst der marokkanischen Teezubereitung ein: Der grüne Tee wird in mehreren Schritten aufgekocht und mit frischen Minzblättern und reichlich Zucker verfeinert. „Beim Einschenken halten wir die Teekanne hoch über die Gläser, um den unverkennbaren Schaum zu erzeugen“, erklärt sie. Zum Tee passen Msemen, marokkanische Pfannkuchen. „Sie sind außen knusprig und innen weich. Wir essen sie gern zum Frühstück oder am Nachmittag zum Tee oder Kaffee, auch mit Butter und Honig“, sagt Siham.

Eine Frau im türkisen, reich bestickten Kleid sitzt auf einem gemusterten, mintgrünen Sofa und schenkt mit gestrecktem Arm aus der sehr hochgehaltenen, silbernen Kanne Tee in bunt verzierte Gläser auf einem Silbertablett...
Siham führt die Kunst der marokkanischen Teezubereitung vor. Foto: Privat

Die Leidenschaft fürs Kochen hat sie von ihrer Mutter übernommen. Gern erinnert sie sich an die Zeit zurück, als sie noch in ihrem Heimatdorf wohnte. Damals, als Kind, kochte sie gemeinsam mit ihrer Mutter traditionelle Gerichte wie Tajine. „Ich werde niemals vergessen, wie intensiv es in unserer Küche nach Gewürzen roch. Mein Vater brachte das frische Gemüse direkt von den Feldern. Auch Milch, Eier und Butter wurden selbst produziert. Und unser Olivenöl stammte von den Olivenbäumen, die gleich in der Nähe unseres Hauses standen.“ Gegessen wurde gemeinsam von einem großen Teller. „Meine Großeltern, meine Eltern und wir fünf Geschwister teilten uns eine Tajine, die in der Mitte des kleinen Holztisches stand. Dazu schmeckte uns warmes Brot, das meine Oma frisch im traditionellen Ofen gebacken hatte“, blickt Siham zurück.

Auf dem Marktplatz wurde ein hellblauer Sack aus Kunststoffgewebe ausgebreitet, darauf liegen portionsweise jeweils 3 leuchtend gelbe Zitronen, 4 grüne Pepperoni sowohl auch in transparenten Plastikbeuteln abgepackte weiß-violette Knoblauchknollen.
Marktleben. Foto: Maria Kapeller

Gemüse frisch aus der Oase

Frisches Obst und Gemüse vom Markt wird nicht nur bei Sihams Kochkursen geschnippelt, sondern auch in der Küche des Cafés Bazaar in Marrakesch. Dort legt man ganz bewusst Wert auf ökologisch produzierte Lebensmittel. „Unser Restaurant basiert auf der Kilometer-Null-Philosophie“, erklärt die aus Italien stammende Betreiberin Marisa. „Marrakesch liegt in einer Oase, der Wasserreichtum sorgt zu jeder Jahreszeit für eine Menge an Gemüse, etwa Zucchini, Tomaten, Paprika oder Melanzani.“ Im Herbst gibt es außerdem Granatäpfel, Quitten, Trauben oder Kaki, im Winter Orangen und Mandarinen, im Frühjahr Erdbeeren und im Sommer Wassermelonen, Melonen und Pfirsiche.

Als Zuwanderin empfindet Marisa die Mischung aus süß und würzig als besonders typisch für Marokko. „Zimt, Ingwer, Pfeffer, Kurkuma und Kreuzkümmel werden in allen lokalen Gerichten mit Hühnchen, Kalb oder Lamm kombiniert“, sagt sie. Mit ihrem Team hat sie die italienische Eiscremetradition nach Marokko gebracht: Ihr zu 100 Prozent biologisches Eis wird mit Aromen von Lavendelblüten, Zimt, Mandeln, Rosen, Zitronen oder Minzblättern verfeinert. Auch die Farbstoffe sind natürlich – gelbes Eis wird mit Kurkuma gefärbt, rotes Eis mit Hibiskus.

Eine gedeckte Tafel in einem sonnigen Innenhof zwischen sandfarbenen Hausmauern. Tisch und Stühle aus kunstvoll gearbeitetem Holz im marokkanischen Stil, die Fächer der schattenspendenden Palmen hängen ins Bild.
Gedeckte Tafel für Reisegruppe in Kasbah Timidarte. Foto: Maria Kapeller

Fruchtbares Flusstal

Eine rund fünfstündige Busfahrt katapultiert Reisende in ein gänzlich anderes Marokko. Hat man erst einmal die Gebirgspässe mit ihren abgelegenen Dörfern hinter sich, taucht man in ein märchenhaft anmutendes, orientalisches Postkartenbild ein: ins Draa-Tal, rund 200 Kilometer südöstlich von Marrakesch. Entlang des Flusses Draa tun sich mehrere grüne Oasen mit insgesamt mehr als zwei Millionen Palmen auf. Auch Mandel-, Apfel- und Marillenbäume sowie historische Lehmdörfer und Lehmburgen, Kasbahs, prägen das Bild. Manche davon sind mittlerweile zu Unterkünften für Reisende umgebaut.

Schlafen in der Lehmburg

Die Kasbah Timidarte in der Nähe von Agdz ist ein soziales und ökologisches Pilotprojekt im gleichnamigen Dorf. Um den Ökotourismus am Land zu fördern und Einheimische einzubinden, wurde die antike Kasbah restauriert. Dafür haben die lokalen Handwerker*innen zu natürlichen Materialien aus dem Palmenhain und den umliegenden Bergen gegriffen. Ziel des Projekts ist es, die Lebensbedingungen im Dorf durch Teilhabe zu verbessern. So konnte etwa ein Kindergarten gebaut und das Bewässerungssystem verstärkt werden. Von der Dachterrasse der Kasbah aus reicht der Blick bis zu den Gipfeln des Anti-Atlas. Dazwischen breitet sich ein Palmenhain mit Datteln, blühenden Mandelbäumen und Gemüsefeldern aus. Was angebaut wird, wird mit Wasser aus dem Fluss versorgt und meistens noch traditionell mit Viehmist gedüngt. Im Winter werden Karotten und Rüben geerntet, im Sommer Melanzani, Tomaten und Zwiebeln. Auch das Gemüse für die Couscous- und Tajine-Gerichte im Restaurant der Kasbah Timidarte stammt aus dem Palmenhain. Gewürzt wird unter anderem mit Skad, einer regionalen Gewürzmischung aus getrockneten Zwiebeln, Kreuzkümmel und Pfeffer.

Ein kleiner, einfacher Markt in karger Landschaft, im Hintergrund eine Festung mit Turm, einige Palmen, blauer Himmel. Menschen stehen um einen Tisch, alte rostige Motorräder und andere Fahrzeuge, teilweise mit Waren beladen, parken davor.
Markt in Skoura, Foto: Maria Kapeller

Unterkunft mit Familienanschluss

Noch heimeliger geht es in der Kasbah La Palmeraie in Skoura zu: Hier wohnt man mit der Familie Elgharbi im selben Haus. Während Neuankömmlinge erst einmal den Rucksack abstellen und eine Kanne marokkanischen Minztee serviert bekommen, tollen die Kinder der Familie durchs Haus und spielen im Garten. Das Frühstück wird auf der Dachterrasse der Kasbah serviert, die direkt am Rande des örtlichen Palmenhains liegt. Abends wird für die Gäste im Haus gekocht. Zur bekannten Kasbah von Amridil sind es nur fünf Kilometer. Dort kann man sich von einem lokalen Guide durch die Lehmbefestigung aus dem 17. Jahrhundert führen lassen. Ein Teil ist heute zum Museum umfunktioniert. Auch Hausherr Mohamed von der Kasbah La Palmeraie nimmt sich zwischendurch Zeit, um mit seinen Gästen im Rahmen kleiner Privatführungen in den Palmenhain oder auf den lokalen Markt zu fahren. Die Händler hocken auf Kisten und haben ihre Waren auf Tüchern oder Decken am Boden ausgebreitet: Bananen, Zwiebeln und – natürlich – Orangen.

Autorin: Maria Kapeller

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zuletzt geändert am 23.02.2022

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