Blick von oben auf die Insel Hiddensee in der Ostsee.
Hiddensee liegt unmittelbar westlich vor Rügen in der Ostsee. Foto: TMV Gaensicke

Malerische Auszeit an der Ostsee

Seit Jahrhunderten dienen die rauen Inseln Nordeuropas Künstlerinnen und Künstlern als Quelle der Inspiration. Ihre Niederlassungen schreiben bis heute Kunstgeschichte – und laden auch in der kühleren Jahreszeit zum Besuch ein.

Windumtoste Klippen, feine Sandstrände, üppige Wälder. Das tiefblaue Meer und die weiße Gischt, wenn die Wellen auf die Küste prallen – die Inseln Nordeuropas verzaubern mit ihrer rauen Landschaft und dem Zusammenspiel aus Wind, Sonne und Meer.

Die unberührten Naturlandschaften zogen Künstler*innen schon in den letzten beiden Jahrhunderten in ihren Bann. Sie fanden Inspiration in der Ruhe der Inseln, der klaren Luft, dem besonderen Licht, den endlosen Weiten. Und so entstanden im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts Zusammenschlüsse von Kunstschaffenden, die sich ganz oder teilweise auf den Inseln niederließen, um deren Schönheit für die Ewigkeit festzuhalten.

Zu den bekanntesten Künstlerinseln zählen Hiddensee, Bornholm, die Halbinsel Skagen und die Åland-Inseln. Bis heute wahren sie einen wichtigen Teil der Kunstgeschichte und sind lebendige Zeugnisse davon, wie eng Kunst und Landschaft miteinander verbunden sein können. Ein Besuch in den Museen und Ateliers lädt dazu ein, Kunst vor Ort ganz neu zu entdecken. Eine kleine Zeitreise.

Insellandschaft, mit Rauhreif überzogen, im Vordergrund ein wettergebeugtes Kiefernbäumchen, im Hintergrund ein weißer Leuchtturm mit roter Spitze.
Ein Winterspaziergang zum Wahrzeichen der Insel: dem Leuchtturm auf dem Dornbusch, jenem Hügelland, das einen der drei Inselkerne bildet. Foto: TMV Voigt&Kranz

Hiddensee, die Perle der Ostsee

Nur etwa 17 Kilometer lang und einige Kilometer breit ist die autofreie Insel Hiddensee in der deutschen Ostsee. Sie ist bekannt für ihre scheinbar endlosen Sandstrände, die weiten Heideflächen, die Kiefernwälder, die Dünen und die über 70 Meter hohe Steilküste. Nicht umsonst wird sie als „die Perle der Ostsee“ bezeichnet – und kein Wunder, dass die Künstlerin und Schriftstellerin Henni Lehman dort 1919 den „Hiddenseer Künstlerinnenbund“ gründete, dem zeitweise bis zu 25 Frauen angehörten. In der „Blauen Scheune“, einem niederdeutschen Hallenhaus mit blauem Anstrich, stellten die Künstlerinnen ihre Werke aus. Die berühmteste unter ihnen war Elisabeth Büchsel. Jeden Sommer kam sie auf die Insel, um Fischer beim Flicken ihrer Netze, Bewohner bei der Feldarbeit oder die typischen Bauernhäuser mit ihren reetgedeckten Dächern in ihren Bildern zu verewigen. Neben Büchsel zählt Eggert Gustavs zu den bedeutendsten Hiddensee-Künstlern. Er wurde auf der Insel geboren und verbrachte dort viel Zeit mit Malen. Seine Werke bilden die unverwechselbare Natur Hiddensees ab, zeigen die Ostsee, Strände und die Steilklippen der Insel.

Der Zweite Weltkrieg setzte dem künstlerischen Treiben auf Hiddensee ein jähes Ende. Dennoch lebt das Erbe der Kunstschaffenden dort bis heute weiter. Die Blaue Scheune dient noch immer als Ausstellungsort für Gemälde und Werke des Künstlerinnenbunds sowie des Malers Günter Fink, der bis zu seinem Tod im Jahr 2000 dort wohnte. Dem Maler Eggert Gustavs und seinen Bildern ist ein eigenes Museum gewidmet. Und auch im Heimatmuseum Hiddensee sind Werke der Inselkünstlerinnen und -künstler ausgestellt.

Bornholm, die Insel der Keramik

Neben der abwechslungsreichen Landschaft ist es ein besonderer Schatz, der Kunstschaffende damals wie heute auf die dänische Insel Bornholm lockt: die hochwertige Bornholmer Tonerde, die Keramikerinnen und Keramiker schon vor 200 Jahren für ihre Arbeiten nutzten. So existierten im 19. Jahrhundert über 200 selbständige Töpfereien, 24 größere und kleinere Keramikfabriken sowie etwa 150 selbständige keramische Werkstätten auf Bornholm. Bedeutende Fabriken waren unter anderem Søholm und Hjorth in Rønne, der Hauptstadt Bornholms.

Die Hjorth-Fabrik ist bis heute eine wichtige Adresse für Keramikkunst auf der Insel. Seit ihrer Eröffnung 1859 hat sie sich zu den größten und bekanntesten Keramikfabriken der Insel entwickelt. Wer hier zu Besuch kommt, kann in den historischen Fabrikhallen hautnah erleben, wie aus unförmigen Tonklumpen elegante Teller, Tassen, Becher und Vasen werden.

Auch andere Handwerkskünste wie die Glasbläserei, Textil- und Holzkunst sind auf Bornholm weit verbreitet. Nicht umsonst wurde die Insel von der „European Crafts Alliance“ als erste Region Europas zur „World Craft Region“ (deutsch „Welthandwerksregion“) ernannt – eine Hommage an die jahrhundertealte Handwerkstradition Bornholms.

Die ersten Malerinnen und Maler wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Insel aufmerksam. Zu den wichtigsten Vertreter*innen der sogenannten Bornholmermaler zählen Kræsten Iversen und Oluf Høst. Letzterer lebte in Gudhjem, wo heute ein Museum in seinem ehemaligen Wohnhaus an ihn erinnert. Bornholms Kunstmuseum bei Rønne zeigt weitere Werke mit Bezug zur Insel.

Viele der heutigen Künstlerinnen und Künstler Bornholms haben sich in Østerlars niedergelassen, einem Dorf im Inselinneren. Sozusagen die moderne Künstlerkolonie Bornholms. Ganz nebenbei versteckt sich dort auch eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Insel: die imposante Kirche von Østerlars, die größte der vier Rundkirchen auf Bornholm.

Eine Frau in herbstlich warmer Kleidung und Rucksack steht mit dem Rücken zum Betrachter in der felsigen Küstenlandschaft von Bornholm.
Bornholm auf dem 120 Kilometer langen Küstenpfad kennenlernen – von dramatischen Klippen bis zu ruhigen Wäldern. Foto: Frie Fodspor/Destination Bornholm

Skagen Odde, Land des Lichts

Am nördlichsten Punkt des dänischen Festlands liegt die Halbinsel Skagen Odde. Hier befindet sich auch die nördlichste Stadt Dänemarks, die ebenfalls Skagen heißt. Die Landschaft der sandigen Halbinsel unterliegt den Kräften von Wind und Meer. Hier treffen Nord- und Ostsee aufeinander, außerdem ragt Nordeuropas größte Sanddüne, Råbjerg Mile, bis zu 40 Meter in die Höhe.

Auch das Licht ist ganz besonders auf Skagen Odde: Die Sandstrände und das Meer reflektieren das Sonnenlicht besonders intensiv und auch wenn es auf die roten und gelben Häuserdächer trifft, entsteht ein schönes Farbenspiel.

Kein Wunder also, dass Künstler*innen ab Ende des 19. Jahrhunderts versuchten, diese besondere Stimmung einzufangen. Michael und Anna Ancher, P. S. Krøyer und Marie Krøyer sowie Holger Drachmann gehörten zu den bekanntesten Vertreter*innen der Skagen-Maler. Treffpunkt der Kunstschaffenden war der Brøndums Gasthof, der noch heute als „Brøndums Hotel“ Gäste empfängt.

Das 1928 eröffnete Skagens Museum zeigt die Werke dieser Epoche und betreibt auch die ehemaligen Wohnhäuser der Anchers und Holger Drachmanns als Museen.

Åland-Inseln, Kunst in Önningeby

Die Åland-Inseln sind ein Archipel bestehend aus 6.700 Eilanden, die sich in der nördlichen Ostsee, zwischen Finnland und Schweden ausbreiten. Nur etwa 60 der zu Finnland zählenden Inseln sind bewohnt. Landschaftlich bestechen sie mit einer Mischung aus Wäldern und Wiesen, Klippen und Stränden.

1886 besuchte der finnische Maler Victor Westerholmen erstmals die Inselgruppe. Begeistert von der Landschaft kaufte er ein Haus in Önningeby auf der Hauptinsel Fasta Åland. Schon bald lud er Künstler*innen aus Finnland und Schweden, später auch Estland ein. Darunter die finnischen Malerinnen Dora Wahlroos und Elin Alfhild Nordlund sowie der schwedische Maler Edvard Westmann. Jedes Jahr während der Sommermonate verwandelte sich Önningeby so in eine kreative Zusammenkunft.

Mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs löste sich die Künstlerkolonie auf – aber im Önningeby Museum sind die wichtigsten Werke und Gemälde glücklicherweise bis heute zu bewundern.

Ob auf Hiddensee, Bornholm, Skagen oder Åland: Wer reif für die Insel ist und Entspannung mit Kultur verbinden möchte, wird hier eine unvergessliche Zeit erleben!

Katrin Brahner, mit Ausflugstipps von Michaela Reisinger

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zuletzt geändert am 24.09.2025

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